Rund 1.300 Beschäftigte des Autozulieferers Mahle haben in Stuttgart am 19. Oktober unter dem Motto „Ohne Zukunft sehen wir schwarz“ gegen Entlassungen, Erpressung und Verlagerung demonstriert. Die Belegschaft will endlich Zusagen für neue Produkte und Qualifizierung – statt immer mehr Personalabbau und billige Verlagerung unter dem Deckmantel der Transformation.
Vor über einem Jahr hat der Mahle-Konzern angekündigt, dass er deutschlandweit 2.000 Stellen streichen will. Das wäre jede sechste Stelle in Deutschland, weltweit sollen es 7.600 sein. Davon konnten rund 80 Prozent über Abfindungsprogramme relativ „geräuschlos“ über die Bühne gebracht werden.
Doch das war dem Vorstand nicht genug, der Abbau soll sogar noch verschärft werden. Allein in Feuerbach ist geplant, fast 100 Beschäftigte zu entlassen, obwohl jede Menge Arbeit vorhanden ist. Als „Alternative“ wird ein Lohnverzicht in Höhe von 39 Millionen Euro präsentiert – reine Erpressung. Diese 39 Millionen Euro bleiben dann nicht etwa in Feuerbach, sondern fließen in Billiglohnstandorte ab. Die Beschäftigten sollen also Millionen-Opfer bringen, um Mahle die Verlagerung ihrer Arbeitsplätze zu finanzieren.
In Mühlacker ist geplant, die Belegschaft von rund 1.300 auf die Hälfte zu reduzieren. Das Gaildorfer Werk soll bis Ende 2023 schließen, rund 300 Kolleginnen und Kollegen sind betroffen. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte Mahle sein Filterwerk in Öhringen mit 170 Beschäftigten geschlossen, ebenso wurde das Werk in Freiberg dicht gemacht. Es gibt also Gründe genug für einen gemeinsamen Protest verschiedener Mahle-Standorte rund um Stuttgart.
Mit 15 Bussen kamen Kolleginnen und Kollegen von Mahle Mühlacker und Vaihingen/Enz, so dass in den dortigen Werken die Maschinen still standen. Unterstützt wurden die Mahle-Beschäftigten auch von zahlreichen Solidaritätsdelegationen von Daimler Untertürkheim und Sindelfingen, von Porsche, Nokia und Bosch, von den Maschinenbau-Firmen KBA und Coperion. Der Mahle-Betriebsrat und die Vertrauensleute haben auf der Delegiertenversammlung der IG Metall Stuttgart und durch Flyer-Verteilung vor zahlreichen Feuerbacher Metallbetrieben die Solidarität selbst organisiert.
Liljana Culjak, Betriebsratsvorsitzende von Mahle-Behr in Feuerbach, bringt die Situation auf den Punkt: „Der Arbeitgeber will nur mehr Profit. Die Verlagerungen haben mit der Transformation gar nichts zu tun, wir bauen hier Kühlungssysteme und Klimaanlagen, die auch in Elektroautos gebraucht werden. Und jeder Arbeitsplatz, der hier abgebaut wird, wird an Billigstandorten wieder billiger aufgebaut. Sie nutzen Corona und die Transformation, um billig zu verlagern.“
Betriebsrat Mehmet Sahin, der bereits vor zehn Jahren hartnäckig den Kampf gegen die Schließung des Werkes von Behr in Feuerbach geführt hat, fasste in seiner Rede die zukünftigen Aufgaben so zusammen: „Bei fast allen Autokonzernen und Zulieferern werden massiv Arbeitsplätze abgebaut und verlagert. Damit muss Schluss sein! (…) Auch die nächste Generation braucht doch Arbeitsplätze. Wir sind es doch, die die Betriebe hier Jahrzehnte mit Mühe aufgebaut haben. Und wir lassen nicht zu, dass man sie uns einfach wegnimmt. Deshalb müssen wir mit unserer IG Metall zusammen einen regionalen und bundesweiten Kampf für die Verteidigung der Arbeitsplätze führen. Auch die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich sollte auf die Tagesordnung. Und wenn es nicht anders geht, dann müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen, die Schlüsselindustrien der Profitmacherei zu entziehen und im Interesse von Belegschaften und Gesellschaft in Gemeineigentum zu überführen, so wie es in der Satzung der IGM steht. Unsere Parole heißt jetzt: Wir bleiben hier!“
Bereits seit über 15 Monaten demonstrieren einmal pro Woche Kolleginnen und Kollegen von Mahle-Behr um ihr Werksgelände in Feuerbach und zeigen damit ihre Hartnäckigkeit und Kampfbereitschaft gegen die Pläne des Vorstandes. Das Solidaritätsnetz muss von unten weiter auf- und ausgebaut werden. Hilfreich ist dabei die Betriebsgruppe „Mahle-Solidarität“, in der Kolleginnen und Kollegen aus sechs Mahle-Standorten zusammenarbeiten und seit drei Jahren eine Betriebszeitung erstellen, die mit Unterstützung des „Zukunftsforums Stuttgarter Gewerkschaften“ vor vielen Mahle-Standorten verteilt wird.
Der Aktionstag war mehr als das übliche Ritual. Kampfgeist und Solidarität waren für alle spürbar – die Gewerkschaft lebt! Das gibt Kraft und Motivation für die anstehenden Kämpfe und für den bundesweiten Aktionstag der IG Metall am 29. Oktober.