70 Jahre Westintegration von Nordrhein-Westfalen

De Prinz kütt: William

Von Uwe Koopmann

Das Programm zum 70. Geburtstag von Nordrhein-Westfalen offenbarte: Es gibt immer noch einen Nachholbedarf zur Identitätsstiftung in dem Bindestrichland. Die Defizite entsprechen der Verschiedenheit der Landesteile. Der Rheinländer weiß hundertzehnprozentig, dass der Westfale stur ist, die Westfalen sind felsenfest sicher, dass die Rheinländer alle einen Sockenschuss haben. Als eine besondere Modifikation gilt die herzensgute Todfeindschaft zwischen Köln und Düsseldorf. Friedensangebote wirken immer krampfhaft. So wird zeitgleich zum Geburtstag auf der Königsallee vom Holy Craft Beer Store „Dölsch“ angeboten, eine obergärige naturtrübe Biermelange aus Alt und Kölsch.

Sicherlich gehört richtiges Bier zum Geburtstag. NRW hat davon viel. Insgesamt etwa 200 Brauereien produzieren. Die letzten 70 Jahre haben aber auch verdeutlicht, dass selbst beim Bier das Kapital mit Akkumulation und Konzentration und internationaler Verflechtung das Geschäft prägt. Anheuser-Busch InBev gehört international zur Spitze. „Dr. Oetker“ (Stammhaus Bielefeld) schluckt und schluckt ebenfalls. Alkohol gilt ja bei mancher Geburtstagsfeier als Weichzeichner.

Höhepunkt des Geburtstages: der offizielle Festakt. Alle, die etwas zu sagen hatten, waren in der Düsseldorfer Tonhalle dabei: die Ministerpräsidentin, der Bundestagspräsident, die Kanzlerin, der Oberbürgermeister, die Damen und Herren aus den Konzernzentralen. Als Vertreter der britischen Geburtshelfer war Prinz William (de Prinz kütt) gekommen, beglückwünschte das Geburtstagskind und beschwor die weiterhin enge Zusammenarbeit von Großbritannien und NRW. Die rund 3 300 am 5. Dezember 2014 arbeitslos gewordenen Opelaner in Bochum waren nicht eingeladen worden. Nicht einmal ein Vorzeigearbeitsloser. Einer von 732 949 in NRW wäre bestimmt gekommen, wenn er eine Einladung erhalten hätte.

Auch die DKP war nicht eingeladen, obwohl die KPD im ersten Landtag mit mehr als 60 Abgeordneten vertreten war und in den beiden Kabinetten von Ministerpräsident Rudolf Amelunxen (parteilos) mit Heinz Renner (Soziales) und Hugo Paul (Wiederaufbau) bis zum 5. April 1948 zwei Minister stellte. Wer einmal verboten wurde, muss auch nicht mehr eingeladen werden, außerdem hatten die Kommunisten hatten schon damals nicht über die Gründung des Landes gejubelt.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen wurde am 23. August 1946 mit der Militärverordnung Nr. 46 von der britischen Besatzungsmacht gegründet. Es war eine künstliche Konstruktion ohne gemeinsame Geschichte, hervorgegangen aus dem nördlichen Teil der preußischen Provinz Rheinland und Westfalen. Der Geburtsvorgang dauerte bis zum 21. Januar 1947. An dem Tag wurde mit der Militärverordnung Nr. 77 der ehemalige Freistaat Lippe schließlich NRW zugeschlagen, während Schaumburg-Lippe zu Niedersachsen kam.

Mit der Gründung von NRW wurden geostrategische Zielsetzungen abgesichert: Das Ruhrgebiet sollte nach Wunsch der britischen und US-amerikanischen Regierungen nicht einer internationalen Kontrolle unterstellt werden. Kohle und Stahl sollten der kapitalistisch organisierten Montanindustrie gesichert werden. Das widersprach den Vorstellungen der Sowjetunion und denen Frankreichs. Deren Überlegungen scheiterten am aufkommenden kalten Krieg und der Hierarchie innerhalb der Westmächte. Die KPD kritisierte diese separatistische Entwicklung und betrachtete die Gründung von NRW als einen Meilenstein zur Spaltung Deutschlands.

Das Programm zum Geburtstag am Rhein war einschließlich des Informationsstandes der „Bundeswehrmeile“ bombastisch. Na denn: Prost!

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"De Prinz kütt: William", UZ vom 2. September 2016



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