Erst Bildersturm und Büchervernichtung, nun Architektur. Am 13. Dezember entschied der Dresdner Stadtrat mit den Stimmen von AfD, CDU und „Team Zastrow“, die Pläne für die Sanierung der Robotron-Kantine zu stoppen. Der denkmalgeschützte Flachbau gehört zu den letzten erhaltenen Gebäuden des früheren Campus des DDR-Elektronikkombinats Robotron in der Innenstadt. Er wurde als Solitär von 1969 bis 1972 errichtet und gilt als Beispiel der sogenannten Ostmoderne. Seit 2021 fanden dort Kunstausstellungen statt, das Kunsthaus Dresden war bereits im Umzug dorthin begriffen. Die Sanierung hätte rund 9 Millionen Euro gekostet, wobei der Bund 4 Millionen Euro und ein privater Spender 1,5 Millionen Euro übernommen haben. Im Mai hatte der Stadtrat sich noch für den Kauf des Grundstücks entschieden, nun soll der Einsturz der Carolabrücke dazwischengekommen sein. Entscheidender dürften Antikommunismus und Hass auf die DDR gewesen sein.
In Berlin geht es gegenwärtig um zwei von Kunsthistorikern hoch eingestufte Gebäude: Zum einen soll das 1981 eröffnete Sport- und Erholungszentrum an der damaligen Leninallee beseitigt werden. Der Senat hatte sich einen jahrelangen Rechtsstreit mit einem „Investor“ darum geliefert, der nichts investierte, und schließlich das Ensemble zurückerhalten. Zum anderen ist das Jahnstadion im Prenzlauer Berg, das in den 80ern eine verglaste Tribüne erhalten hatte, Gegenstand der Vernichtungswut. Anfang November hatten die Naturfreunde Berlin in letzter Minute einen Abrissstopp beim Verwaltungsgericht der Stadt erreicht: Spatzennester waren nicht berücksichtigt worden. Am 11. Dezember berichtete die „Berliner Zeitung“, dass sich die Trümmerfans im Senat davon nicht abhalten lassen und „Anfang 2025“ Fakten schaffen wollen. Die für den Abriss benötigten 4 Millionen Euro sollten demnach nicht gestrichen werden. Im Berliner Kulturetat werden 2025 130 Millionen Euro Kürzungen zum Opfer fallen, aber Vernichtung von DDR-Erbe ist wichtiger. Die „Berliner Zeitung“ zitierte Architekt Philipp Dittrich, Mitglied einer Bürgerinitiative, die sich gegen den Stadionabriss wendet, mit den Worten: „Zerstörung ist dem Senat wichtiger als alles andere.“ Die Beseitigung des „Palastes der Republik“ steht symbolisch dafür.
Es charakterisiert die „deutsche Einheit“, dass die vermeintlichen Sieger und ihre ostdeutschen Helfershelfer schon während der Formulierung des Einigungsvertrages, laut dessen Artikel 35 die „kulturelle Substanz“ der DDR erhalten werden soll, einen Feldzug gegen diese Substanz führten. Letztlich wurde der DDR eine eigene sozialistische Kultur abgesprochen, Sozialismus und Kultur galten generell als unvereinbar. Da sollte nichts übrigbleiben.
Das ist misslungen, das kulturelle Gedächtnis wurde unterschätzt. Zwar landeten Millionen Bücher Anfang der 90er Jahre auf dem Müll, wurden ungezählte Kunstwerke zerstört, aber es blieb erstaunlich viel, das in vielen Städten und Gemeinden erhalten und restauriert wurde. Bekannte Beispiele sind der Kunstpavillon Eisenach (1967 gebaut vom „Wartburg“-Hersteller) und das von Künstlern genutzte Rechenzentrum Potsdam (1971 eröffnet). Inzwischen erstreckt sich das Bewahren auch auf Alltagsgegenstände mit DDR-Design: Design, hat sich vor allem unter jüngeren Leuten herumgesprochen, bedeutete dort nicht Luxus, sondern Form- und Materialbeständigkeit bis hin zu den fast unzerstörbaren Kneipengläsern namens „Superfest“. Laut „Berliner Zeitung“ kosteten neulich sechs Halblitergläser bei „Kleinanzeigen“ 250 Euro. Ein Schreibtisch aus der Serie 602 des VEB Deutsche Werkstätten Hellerau fast 2.000 Euro.
Guter Gebrauchswert setzt sich durch. Den vereinten deutschen Abrissschwestern und -brüdern sei verraten: DDR-Design ist subversiv und ein Fall für den Verfassungsschutz.