Der DB-Konzern hat sich selbst ein Sanierungsprogramm, genannt „S3“, auferlegt. DB Cargo ist eine der ersten DB-Töchter, die mit der Umsetzung beginne, freute sich die Cargo-Vorsitzende Sigrid Nikutta jüngst in einem internen Rundschreiben.
Schon vor Monaten sollte das Geschäftsfeld „Kombinierter Verkehr“ – also der Transport von Containern oder Sattelzuganhängern auf der Schiene, die nur die letzte Meile mit dem Lkw machen – an Tochtergesellschaften ausgelagert werden. Von der Auslagerung wären auch zahlreiche Lokführer-Stellen betroffen gewesen. Der Vorstand wollte das Vorhaben mit dem Kopf durch die Wand und ohne Einbindung von Mitbestimmung und Gewerkschaft durchziehen, wie Gesamtbetriebsrat und EVG kritisierten. Die Arbeitervertretungen protestierten vehement und konnten so erreichen, dass mit ihnen über die Sanierungspläne verhandelt wird. Eine Auslagerung des Kombinierten Verkehrs an Tochterunternehmen konnten EVG und Gesamtbetriebsrat in den Verhandlungen verhindern, wie schon im Juli bekannt wurde. Das aber wurde teuer erkauft.
In einem von EVG, DB-Konzernbetriebsrat, Cargo-Gesamtbetriebsrat und der DB Cargo AG unterzeichneten Eckpunktepapier wurde eine Reihe von Maßnahmen festgelegt, „um die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit“ zu sichern. Die Vereinbarungen sehen unter anderem eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von Lokführern vor. Betroffen sind vor allem diejenigen, die ab dem 1. Oktober bei DB Cargo eine Tätigkeit aufnehmen. So können diese Lokführer künftig bis zu sechs Tage deutschlandweit und außerhalb ihres eigentlichen Einsatzortes eingesetzt werden. Dafür gibt es eine „Leistungsprämie“ von 750 Euro brutto monatlich. Bisher hatte man als Lokführer bei DB Cargo Dienstbeginn und -ende an der Einsatzstelle.
Für das Bestandspersonal gilt eine entsprechende Regelung für bis zu 36 Stunden – ohne Extrazulage. Da-rüber hinaus wurden Regelungen getroffen, die in den Arbeitsalltag der betroffenen Lokführer eingreifen: Dienstbeginn ist „am Zug“, „Dienstantritt per mobilem Endgerät“. Es gibt lediglich „rein virtuelle Einsatzstellen“ und „keine Spinde“. Das Papier sieht eine „operative Pausengestaltung an selbstbestimmten Orten“ vor. „Die Eigendisposition der Tf (Triebfahrzeugführer, Anm. M. G.) wird gestärkt (beispielsweise im Hinblick auf Hotelbuchungen, Arbeitsschutzmaterialien, Pausen etc.).“ Damit verliert DB Cargo sein brancheninternes Prestige, im Vergleich zu den Privatbahnen bessere Arbeitsbedingungen zu bieten.
Das Eckpunktepapier war nur ein erster Schritt. Anfang Oktober wurde nach Verhandlungen und unter Einberufung einer Einigungsstelle zwischen DB Cargo, Gesamtbetriebsrat und EVG eine „Neustrukturierung“ des gesamten Unternehmens beschlossen. DB Cargo wird künftig in sieben Geschäftseinheiten aufgeteilt. Statt der bisherigen Produktion von Güterverkehrsleistungen aus einer Hand wird künftig „jede Geschäftseinheit eigenständig über die Produktionsmengen und den Einsatz der Ressourcen“ entscheiden, wie es in einem Info-Schreiben des Gesamtbetriebsrats heißt. Dieser Aufteilung ist bereits die Grundlage für weiteren Kahlschlag in die Wiege gelegt, wie Finanzvorstand Martina Niemann zugab: „Mit der so gewonnenen Transparenz können wir künftig noch besser sehen, welches Geschäft profitabel ist und an welcher Stelle optimiert werden muss.“
Außerdem sollen 2.300 Stellen gestrichen werden. Aktuell findet eine Sozialauswahl statt. Die Kolleginnen und Kollegen bei DB Cargo haben dazu Post erhalten und sollen Auskunft über sich und ihre Lebenssituation geben. Parallel läuft ein „Freiwilligenprogramm“. Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, bekommt eine Abfindung. Nicht wenige Kollegen haben aus Frust selbstständig gekündigt und arbeiten nun für andere Eisenbahnverkehrsunternehmen. Als Lokführer ist es aktuell nicht schwer, eine Stelle zu bekommen. Die Cargo-Chefin spricht von einer „Fluktuation“.
DB Cargo steckt schon lange in einer Krise und schreibt Jahr für Jahr rote Zahlen im hohen dreistelligen Millionenbereich. Der einstige Monopolist im Schienengüterverkehr verliert mehr und mehr Anteile. Private Güterbahnen betreiben bereits 60 Prozent an dem Geschäft. Ein Verfahren der EU-Komission, dessen Urteil gegen Ende des Jahres erwartet wird, wird wohl „Beihilfen“ des DB-Konzerns wie zum Beispiel die Übernahme der Cargo-Schulden durch die DB AG künftig untersagen. Diese würden den Wettbewerb im Schienengüterverkehr beeinträchtigen.
Vor diesem Hintergrund verkauft der Vorstand der Belegschaft seine „Transformation“ als alternativlos. Bis 2026 will man schwarze Zahlen schreiben. Die EVG kommentierte zu dem nun endgültig beschlossenen Schrumpf- und Sparkurs, dass ihr und den Betriebsräten die Zustimmung „nicht leichtgefallen“ sei. Der Vorstand habe nun „alle Instrumente in der Hand, die DB Cargo wieder auf Zukunftskurs zu bringen“.