Troika läutet das Finale für Griechenlands Status in der EU ein

Daumenschrauben anziehen

Von Uwe Koopmann

Der Euro hat die D-Mark – in Griechenland die Drachme – nicht abgelöst, um die ärmere Bevölkerung reich zu machen. Mit der Einführung war die Aufgabe verbunden, den Kapitalismus zu stabilisieren. Für Griechenland galt eine doppelte Aufgabe: Stabilisierung und Unterwerfung. Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) wusste, dass er mit der neuen Währung gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung entschied. Als er 2002 für die FAZ zurückblickte, sah er sich in der Frage durchaus zutreffend „wie ein Diktator“. Diese Rolle hat ihm inzwischen die Troika abgenommen.

Die Diktatur hat auch hier einen Klassencharakter, denn die Austeritätspolitik trifft, so nun auch Die Zeit, die „Armen furchtbar, die Wohlhabenden viel weniger oder gar nicht.“ Für die Armen werden die Renten gesenkt, aber die Preise angehoben. Für die Reichen gibt es Beihilfe zur Kapital-Flucht. So wurde zum Beispiel die Lagarde-Liste nicht abgearbeitet.

Die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde hatte 2010 ihrem griechischen Kollegen Giorgos Papakonstantinou 2 062 Namen ausgehändigt, alle Kunden bei der Genfer Privatbank HSBC, alle unter dem Verdacht, Steuern hinterzogen zu haben. Unter Papakonstantinou verschwand die Liste. In dieser Zeit wurden allerdings drei Namen von der Liste gelöscht: zwei Cousinen des Ministers und die Ehegatten. Der Journalist Kostas Vaxevanis veröffentlichte die Liste mit den Namen. Er wurde verhaftet und des Diebstahls persönlicher Daten bezichtigt. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Papakonstantinou wurde wegen Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung verurteilt und aus der sozialdemokratischen PASOK ausgeschlossen. Evangelos Venizelos, ebenfalls PASOK und ab 2012 deren Vorsitzender, war Papakonstantinous Nachfolger. Auch er zeigte kein Engagement bei der Verfolgung der Verdächtigen, darunter die Mutter seines ehemaligen Parteifreundes Giorgos Papandreou mit 550 Millionen Euro.

Zu diesem Szenario der herrschenden Klasse passt das Achselzucken von Finanzminister Schäuble (CDU): Bei Steuerflucht und Kontenleerung der Reichen könne man nun mal nichts machen. Die Regierung schützt die Konten und Immobilien der griechischen Millionäre in Deutschland. So kann ein Athener Millionär, der dem Autor bekannt ist, sicher sein, dass ihm in Deutschland nichts passiert. Auf die Frage, ob er denn Steuern zahle und ob er sein Geld in Griechenland anlege, antwortete er: Hättest du Vertrauen in die Athener Regierung?

Auf Anfrage aus Griechenland, ob NRW Steuerfahnder entbehren könne, stellte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) „Unterstützung im Einsatz gegen Steuerhinterziehung und für eine effiziente Finanzverwaltung in Aussicht“. Dazu solle es weitere Treffen und ein Kooperationsabkommen geben. So wie sich die Troika im Interesse der Couponschneider in die Politik der Athener Regierung einmischt, hätte Walter-Borjans seinen Nachhilfeunterricht schon bei Tsipras‘ Regierungsantritt anbieten können.

Da reiche Griechen das Geld von ihren einheimischen Konten ins Ausland überweisen, fehlt den griechischen Banken Geld. Diese Löcher stopfen sie durch einen Kredit (Target). Nach Prof. Hans Werner Sinn (Ifo-Institut) sind die Targetschulden bis zum April auf 99 Milliarden Euro gestiegen. Dieses System ist Bestandteil kapitalistischer Wirtschaftsordnung. Stichwort: Stabilisierung der Reichen und Unterwerfung der Armen. Am letzten Freitag musste das Finanzministerium in der Odos Nikis 5–7 wieder 3,6 Milliarden Euro abdrücken. Dazu mussten 2,925 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Die Eurogruppe tagt Donnerstag, 18. Juni. Christine Lagarde (IWF) wird wieder am Tisch sitzen. Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe) übte sich im Vorfeld wieder als Zyniker: Die Griechen sollen erweiterte „ernsthafte“ Vorschläge vorlegen, wie die eigene Regierung sie ausquetschen kann. Wenn die „Saftpresse“ nicht läuft, gibt‘s nichts von den blockierten 7,2 Milliarden Euro Hilfsgeldern. Geld ist genug vorhanden. EZB-Präsident Mario Draghi hatte schon im Januar angekündigt, dass bis zum September 2016 monatlich 60 Milliarden Euro Staatsanleihen aus den Euro-Ländern aufgekauft werden sollen.

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"Daumenschrauben anziehen", UZ vom 19. Juni 2015



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