In der SPD hat der gescheiterte Kanzlerkandidat eine anscheinend notwendige Debatte angestoßen: Wer braucht eigentlich diese Partei wofür?
Zwingend ist diese Debatte aus Sicht von Nahles, Schulz & Co, weil sie nicht mehr auf den heißbegehrten Regierungsbänken sitzen. Um da wieder hinzukommen, stoßen jetzt genau die, die das Vertrauen hunderttausender Wähler verspielt haben, ausgerechnet eine Gerechtigkeitskampagne an.
Dass Kapitalismus und soziale Gerechtigkeit für die arbeitenden Menschen in einem argen Spannungsverhältnis stehen, dürften ja viele auch Nicht-Kommunisten unterschreiben. Dass auch im Kapitalismus soziale Rechte erkämpft werden können, ist Gemeingut der gesamten Linken. Wenn aber eine sich sozialdemokratisch nennende Partei sich hergegeben hat, das Rad zurückzudrehen, um Lohn- und Rentenraub per Gesetz einzuführen, um mit der Agenda 2010 massenhaft Menschen in die Armut zu drängen und einen in der Bundesrepublik bisher beispiellosen Druck auf die Löhne der Beschäftigten auszuüben, hat sie sich komplett von ihren Wurzeln, ihrer Basis und auch einem Großteil ihrer Wähler verabschiedet. Mit dieser Politik ist die Führung der Partei im Lager derer angekommen, die bei ihrer Gründung die Gegner waren: Das Kapital und de ihm zugeneigten Parteien.
Nun verkünden die Parteistrategen den Willen zur Erneuerung der SPD. Von Digitalisierung und mehr Basisnähe ist da die Rede. Die „großen Linien“ der Partei sollen stärker herausgearbeitet werden, um die „Neuaufstellung der SPD“ zu schaffen, lassen sie verlautbaren. Und zart wird eine „Aufarbeitung der Agenda-Politik“ angedeutet.
Nur eines ist leider nicht zu hören: Eine klare Stimme, die die SPD wieder auf die Seite der arbeitenden Menschen, ihrer Familien und die von der Arbeit Ausgegrenzten zurückbringen möchte. Die deutlich macht, dass die sozialen Schandtaten der SPD nicht mit etwas Fassadenfarbe, sondern durch einen grundsätzlichen Politikwechsel korrigiert werden können, wenn diese Partei wieder einen Wert für Arbeiter und Gewerkschafter erlangen möchte.
Daher bleibt zu befürchten, dass die SPD das bleibt, was sie nun ist: Die Ersatzreserve für die Regierungsbank, wenn es mal wieder darum geht, Drecksarbeit wie den Jugoslawien-Krieg oder Hartz IV zu erledigen, wo Ruhe vor allem an der Gewerkschaftsfront gewünscht war. Nahles und Schulz stehen dafür jedenfalls zur Verfügung.