Dortmund macht sich lächerlich

Das war‘s dann auch

Von Karl Rehnagel

Eigentlich wollte ich das Spiel nur auf dem Weg zum „Hafenspaziergang“ mitnehmen, eine hübsche Dortmunder Veranstaltung, in der zirka 50 Locations gratis Musik, Kunst und Kultur anboten. Hätte ich es mal gelassen. Am Tisch, den ich seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, nur noch traurigste Reste: M., der Mann mit dem halben Herzen und U. ohne Zähne, der sich erschreckenderweise noch mal von 50 auf 35 Kilo geschrumpft hatte. Ganz ehrlich: Der Platz am Tisch wird bald auch frei, leider für immer. Alle anderen waren anscheinend am Hafen, Gartenbro A. auch und selbst die schöne M., die eigentlich nie ausgeht, wurde dort gesichtet. Nur eine Dame um die zirka 117 Jahre setzte sich noch zu uns. Sie fiel weder sonderlich auf noch ab, außer das sie mehr Zähne als U. hatte. Das war‘s dann auch.

Das Dortmunder Spiel, will man es als solches bezeichnen, war so: ideenlos, kopflos, kampflos. Vor allem Letzteres fiel auf, unsere Superstar-Millionäre hatten wohl nicht wirklich Lust auf den Arbeitersportverein Union Berlin. Schlecht waren alle, auch der „beste deutsche Verteidiger“ Hummels. Dazu kam ein rabenschwarzer Tag für Akanji und Brandt, die sich einen Müll zusammenspielten, wie ich nicht einst in meinen schlimmsten Spielen für „Dynamo Doppelkorn“. Unfassbar, dass da ein Trainer nicht früher eingreift. Aber Favre, mit der Ausstrahlung einer Tüte Gummibärchen und der Leidenschaft einer defekten Dunstabzugshaube, brachte ausgerechnet Mo Dahoud, und spätestens da war mir klar: Das Spiel ist am Arsch. Völlig entgeistert ob unseres „Meisterschaftsanwärters“ radelte ich nach dem 1:3 nach Hause. Jetzt noch zwei Schnittchen und einen ordentlichen Kaffee, dann ging es gen Hafen. Das fanden alle prima, bis auf den Wettermacher. Kaum hatte ich den letzten Bissen unten, nahte der erste Donner: Gewitter! Prima, das war‘s dann auch.

Und sonst? Schalke schoss ein Tor und gewann 3:0 gegen die Hertha. Interessante Spielidee. Bayern zeigte, wie man auch gegen „Kleine“ Gas geben kann, wenn man nur will (6:1 gegen Mainz), Freiburg verlor zu Hause gegen Köln (1:2) und Paderborn holte einen erstaunlichen Punkt in Wolfsburg (1:1). Tabellenführer sind nun die, die es niemals werden sollen, Leipzig. Danach die Bayern und zwei Werksklubs, Leverkusen und Wolfsburg. Das war‘s dann auch.

Sicher, es gibt Wichtigeres im Leben als Fußball. Meinen üblen Dauerhusten zum Beispiel oder Donald Trump oder AfD-Wähler. Wahnsinnige in Brasilien. Die Liebe. Der Garten. Unbezahlbare Mieten. Leichen im Mittelmeer. Bekackte Nazis. Weltfrieden. Muttis Rouladen. Und tausend andere Dinge. Allerdings: Union muss ich trotzdem mal hervorheben. Irgendwie kommt da ein bisschen echter Fußball zurück in die Liga: Freudvolle Enge, Würstchengestank, Bierschwaden, im Stadion werden Irie Revoltés und Buzzcocks gespielt und als Einlaufmusik Nina Hagen mit „Eisern Union!“ Gratulation also für die Stimmung und absolut gerecht erkämpfte erste drei Punkte in der Bundesliga. Und natürlich an Neven Subotic. Der sozial extrem engagierte Abwehrmann, dem Starallüren fremd sind und den man in Dortmund schon mal in Joggingbuxe beim Weinkauf im Netto traf, wurde einst bei uns aussortiert. Er war zu schlecht. Die Unioner aber fanden ihn gut genug, zumindest um dem BVB 90 Minuten auf die Nerven zu gehen und die Punkte in der alten Försterei zu behalten. Hat geklappt. Das war‘s dann auch.

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"Das war‘s dann auch", UZ vom 6. September 2019



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