Werner Abel, Historiker, ist Mitglied im Verein Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 (KFSR).
Als am 16. Februar 1936 linke und linksbürgerliche Parteien, zusammengeschlossen in einer Volksfront, die Wahlen zum Cortes, dem spanischen Parlament, gewannen, nach Stimmen zwar knapp, aber nach Sitzen mit deutlichem Vorsprung, da schien dieses Ereignis einem allgemeinen Trend in Europa zuwiderzulaufen. In mehreren Ländern waren faschistische und autoritäre Regimes an die Macht gekommen, nur Frankreich und Spanien schienen mit ihren Volksfront-Regierungen eine Ausnahme zu machen.
In Spanien, seit April 1931 Republik, war es zunächst nicht zu den sozialen und politischen Veränderungen gekommen, die viele Spanier erwartet hatten. Im Gegenteil, es gab einen reaktionären Rückschritt (die „schwarzen Jahre“ – siehe UZ vom 19.2.2016). Ein aus der Not geborener Aufstand der asturischen Bergarbeiter im Oktober 1934 wurde mit äußerster Brutalität niedergeschlagen. Befehlshaber der Regierungstruppen war übrigens General Francisco Franco, der schon hier jene Militäreinheiten einsetzte, die später zu den Eliteeinheiten im Kampf gegen die Republik gehören sollten. Unter seinem Befehl rechneten der „Tercio“, die spanische Fremdenlegion, und die „Regulares“, marokkanische Söldner, mit den Aufständischen ab.
Die Entwicklung führte damals dazu, dass die mächtige Gewerkschaft der Anarchosyndikalisten, die Confederación Nacional de Trabajo (CNT) Anfang 1936 ihre Mitglieder nicht mehr zur Wahlabstinenz aufriefen, sondern zur Stimmabgabe für das zu Recht als Volksfront geltende Wahlbündnis.
Dieses nahm sich nach dem Sieg im Februar 1936 sozialökonomischer und sozialpolitischer Maßnahmen an, die sich deutlich von dem unterschieden, was sich z. B. die Volksfront-Regierung in Frankreich vorgenommen hatte. Dazu kam eine antiklerikale, antioligarchische Volksbewegung, deren Ausweitung die nach wie vor bürgerliche Republik zur weiteren Demokratisierung und weiter nach links führen musste.
Obwohl die warnenden Stimmen, wie die der Kommunisten, dass die Reaktion das nicht hinnehmen werde, zunahmen, reagierte die Regierung zögerlich und tat wenig für den Schutz der Republik. Die Angst vor einer Bewaffnung des Volkes war zum Beispiel größer als die vor den reaktionären Generälen, die man bestenfalls in Randbezirke versetzte.
Als diese aber dann im Juli 1936 putschten, nahmen viele an, dass es sich um einen der üblichen „pronunciamentos“, Militärputsch, handele. Vermutlich aber waren es wieder allein die Kommunisten, die den wahren Ernst der Lage erkannten.
Was aber die Faszination Spanien zu dieser Zeit auch international ausmachte war, dass der Faschismus durch eine Volksaktion aufgehalten werden konnte, den Putschisten die wichtige Städte nicht in die Hände fielen. Da ein Teil der spanischen Armee, vor allem die Marine, loyal blieb und die linken Parteien und Organisationen sofort Milizen bildeten, den Putschisten also auch auf militärischem Gebiet Gegenwehr geleistet wurde, entstand eine Situation, die in der Regel als Bürgerkrieg bezeichnet wird.
Es war auch ein Bürgerkrieg, dessen Konflikte oft hinein bis in einzelne Familien drangen. Doch die Bezeichnung „Bürgerkrieg“ reicht nicht aus, um den Spanischen Krieg zu charakterisieren, seine Bedeutung für die nachfolgenden historischen Ereignisse zu erfassen.
Internationale Unterstützung für die Putschisten
Beispielsweise wäre es ohne die Hilfe und Unterstützung Nazi-Deutschlands nicht gelungen, im Juli 1936 die Truppen der Putschisten aus Nordafrika und von den Kanarischen Inseln, auf denen General Franco den Befehl hatte, auf das spanische Festland überzusetzen.
Ohne die Waffenlieferungen Deutschlands und Italiens, ohne die Versorgung mit Treibstoffen durch die USA hätten die Putschisten die materiell-technische Überlegenheit nicht erreichen können.
Damit nicht genug: Ohne sich an ihre Zustimmung zu dem am 9. September 1936 in London abgeschlossenen Nichteinmischungsvertrag zu halten und ohne das Gebot der Neutralität einzuhalten, griffen die Signatarstaaten Deutschland, Italien und Portugal mit der Entsendung von Truppen auf Seiten der Putschisten massiv in den Krieg ein. Italien schickte ein sogenanntes „Freiwilligenkorps“ (Corpo Truppe Volontarie) mit knapp 50 000 Mann, von denen aber ca. 18 900 der regulären italienischen Armee angehörten. Auf Francos Seite kämpften etwa 22 000 Deutsche, aber nicht nur als Angehörige der berüchtigten „Legion Condor“, sondern auch als Artilleristen, Panzerfahrer und Techniker. Aus Portugal kamen zwischen 8 000 und 12 000 Legionäre, die sich „Viriatos“ nannten, nach Viriathus, der die Lusitaner im 2. Jahrhundert vor d. Z. im Kampf gegen die römische Vorherrschaft führte. Auch die Portugiesen brachten wie die Italiener und Deutschen eigene Geschwader mit nach Spanien und trugen mit dazu bei, dass die Republikaner, die Flugzeuge nur noch von der Sowjetunion geliefert bekamen, letztlich im Luftkampf unterlegen waren.
Und nicht nur Deutsche, Italiener und Portugiesen kämpften an der Seite der Franquisten, sondern auch ca. 700 Irländer sowie polnische, rumänische, französische, österreichische, jugoslawische Faschisten und rechte Katholiken ebenso wie antikommunistische russische und ukrainische Emigranten.
Geprobt wurde dabei auch, was im 2. Weltkrieg zum Alltag gehören sollte: Die Bombardierung von Städten und der Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung.
Der erste moderne Krieg
Der Krieg in Spanien war der erste moderne Krieg des 20. Jahrhunderts. Das erstreckte sich in der Taktik vom Zusammenwirken zwischen Panzertruppe und Infanterie bis hin zum schon erwähnten Krieg gegen die Zivilbevölkerung durch das Bombardement urbaner Räume. Guernica ist nur ein, aber dafür das bekannteste Beispiel eines Kriegsverbrechens, das die Welt in dieser Dimension bis dahin nicht kannte. Zum Einsatz kam modernste Flugtechnik, gegen die die nur minimal vorhandene republikanische Luftabwehr kaum eine Chance hatte. Wohlgemerkt, die Bomben warf in den wenigsten Fällen die franquistische Luftwaffe, terrorisiert wurde die Bevölkerung von deutschen und italienischen Geschwadern. Auch das ist ein Grund dafür, nicht mehr nur von einem Bürgerkrieg zu sprechen.
„Nichteinmischungspolitik“ der Westmächte
Außer verbalen Protesten gab es keine die Republik unterstützenden Reaktionen der „bürgerlichen Demokratien“. Im Gegenteil, England erpresste Frankreich, die der spanischen Republik zugesagte Waffenhilfe dann doch nicht zu gewähren. Als das Volksfront-Bündnis in Frankreich im März 1938 zerbrach und Édouard Daladier Léon Blum als Ministerpräsident ablöste, änderte sich das Verhalten zum republikanischen Spanien ohnehin zu dessen Ungunsten.
Mehr noch als die Sowjetunion hätte z. B. Frankreich Grund gehabt, in den Spanischen Krieg einzugreifen. Gemeinsam mit England und den USA signalisierte aber Frankreich den Achsenmächten, dass diese in Spanien ungestraft morden dürfen. Vergessen werden sollte auch nicht, dass nach der Niederlage der Republik England und die Schweiz sofort Franco-Spanien als das einzig legitime Spanien anerkannten und sofort diplomatische Beziehungen aufnahmen. Beachtet werden sollte ferner, dass sich Nazi-Deutschland gleichzeitig mit dem Kampf gegen die Spanische Republik Österreich einverleibte und die CSR zerschlug.
Wenig beachtet wird vermutlich, dass auf spanischer Erde erstmals seit den Interventionskriegen gegen die junge Sowjetmacht wieder deutsche und sowjetische Soldaten gegeneinander kämpften und damit vorwegnahmen, was sich vier, fünf Jahre später im 2. Weltkrieg auf sowjetischem, osteuropäischem und deutschem Territorium wiederholen sollte.
Internationalismus
Am 24. Oktober 1936 hatten die Vertreter der Kommunistischen Internationale Luigi Longo, Pierre Rebière und Stefan Wisniewski den noch zögernden spansichen Ministerpräsidenten Largo Caballero davon überzeugen können, der Aufstellung Internationaler Brigaden zuzustimmen.
Doch schon zuvor kämpften Freiwillige aus vielen Ländern in den antifaschistischen Milizen. Aufgehalten wurden die Putschisten in den entscheidenden Städten Madrid, Valencia und Barcelona zunächst durch die spontane Aktion der Volksmassen, bestenfalls organisiert durch die CNT. Der PSUC, die Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens, in der die kleine katalanische KP aufgegangen war, gründete sich erst am 23. Juli 1936, schickte aber schon wenige Tage danach seine erste Milizkolonne an die Front, zu der übrigens auch deutsche Milizionäre gehörten.
Vor allem kommunistische Militärs – wie z. B. der deutsche Kommunist, Schriftsteller und Weltkriegsoffizier Ludwig Renn – wussten, dass der Krieg nicht mit einem Milizsystems erfolgreich geführt werden konnte. Obwohl der spanische Ministerpräsident, das Verteidigungsministerium, der Generalstab und auch die Anarchosyndikalisten nicht begeistert waren von den ihrer Meinung nach kommunistisch dominierten Interbrigaden, wurden diese dann auf Grund ihrer hohen Kampfmoral und beispielhaften Disziplin schnell zu geschätzten Eliteeinheiten, die oft an den gefährdetsten Fronten eingesetzt wurde. Ihre erste Bewährungsprobe erlebten sie Ende1936, Anfang 1937 in der Schlacht um die Hauptstadt Madrid, deren Eroberung Franco erst im Frühjahr 1939 gelingen sollte.
Geht man davon aus, dass ca. 35 000 Interbrigadisten und Angehörige anderer linker Einheiten gegen die Franquisten kämpften, so kann wohl angenommen werden, dass die Putschisten von mehr als der doppelten Anzahl von Ausländern unterstützt wurden.
Vor allem auch ein Klassenkrieg
Die Kommunistische Internationale definierte damals den Krieg in Spanien als einen nationalrevolutionären Krieg des spanischen Volkes. Obwohl diese Charakterisierung in der aktuelleren Literatur immer weniger gebraucht wird, ist sie trotzdem eine wohl präzise Beschreibung der Vorgänge jener Zeit.
Der Spanische Krieg war auch ein Klassenkrieg: Die bisher Unterprivilegierten, das Landproletariat, die armen Pächter, die Arbeiterklasse und mit ihr auch die Arbeiterbewegung artikulierten ihre Interessen. Erst nach dem Sieg der Volksfront war ernsthaft versucht worden, die quasi feudalen Verhältnisse auf dem Lande zu überwinden und die Macht der Kirche, die traditionell auf der Seite der Unterdrücker stand, einzuschränken.
Die Arbeiterbewegung, gleich ob anarchosyndikalistisch, sozialistisch oder kommunistisch, sah erstmals die reale Chance, die soziale Lage der Arbeiter existentiell zu verbessern. Nicht umsonst gehörten die anarchosyndikalistische CNT und die sozialistische UGT (Unión General de Trabajadores) zu den wichtigsten Akteuren nicht nur im Krieg, sondern auch bei den angestrebten revolutionären Veränderungen.
Aber nicht nur die Klasseninteressen der faschistischen Mächte stan-den dem entgegen, sondern auch die der „westlichen Demokratien“. Diese fürchteten das Beispiel revolutionärer Umgestaltungen ebenso wie die Nationalisierung des Eigentums ihrer Konzerne in Spanien.
Die Warnungen der spanischen und internationalen Kommunisten wurden nicht gehört. Ein geeintes und internationales antifaschistisches Engagement für die Spanische Republik hätte den faschistischen Mächten ihre Schranken aufgezeigt. Durch ein entschiedenes Parteiergreifen Englands und Frankreichs für die Tschechische und die Spanische Republik wäre vielleicht der 2. Weltkrieg verhindert worden. Diese Mutmaßung ist durchaus legitim, denn Historiker können die Frage „Was wäre, wenn?“ sehr wohl stellen, auch die, ob die Warnungen der Geschichte verstanden wurden.