In Frankfurt am Main findet diese Woche eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema Palästina statt. Sie wird von Studierenden und Lehrenden der Goethe-Universität organisiert und glänzt mit international anerkannten Akademikern aus verschiedenen Ländern. UZ hat mit Jule Kettelhoit, Mitglied der Initiative „Talking about Palestine“ an der Goethe-Universität, gesprochen.
UZ: Ihr veranstaltet an diesem Mittwoch und Donnerstag eine internationale Konferenz unter dem Titel „Let’s talk about (the silencing of) Palestine“. Dabei handelt es sich um das zweite derartige Event zum Thema Palästina seit dem 7. Oktober 2023, nach dem Palästina-Kongress in Berlin. Worin unterscheidet sich eure Veranstaltung von der damaligen?
Jule Kettelhoit: Die Konferenz hat einen wissenschaftlichen Fokus und legt den Schwerpunkt auf den akademischen Diskurs, Wissenschaftsfreiheit und die politischen Dynamiken rund um das Thema Palästina.
Während der Palästina-Kongress in Berlin als breite politische Mobilisierung mit einer Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Gruppen und Aktivisten organisiert wurde, konzentriert sich unsere Veranstaltung auf den Austausch von Perspektiven aus Wissenschaft und Forschung. Wir bringen internationale Expertinnen und Experten zusammen, darunter Kolleginnen und Kollegen aus Palästina, die über die Zerstörung des Bildungssystems und die Rolle der Universitäten im Widerstand gegen Besatzung sprechen werden. Ebenso beleuchten wir die Dynamiken, die das Schweigen rund um Palästina in Deutschland und Europa aufrechterhalten, sowie die Konsequenzen für Wissenschafts- und Meinungsfreiheit, welche wir ebenfalls kritisch besprechen.
Beide Veranstaltungen teilen das Ziel, Gerechtigkeit für Palästina einzufordern und das Schweigen zu brechen.
UZ: Wen habt ihr als Referenten gewonnen?
Jule Kettelhoit: Wir konnten eine Reihe renommierter Referenten gewinnen, die das Thema aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchten. So etwa Ala Alazzeh, Helga Baumgarten und Sami Salameh, alle drei von der Birzeit-Universität, den Genozid-Forscher Dirk Moses, den Anwalt Alexander Gorski, Wieland Hoban von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost und einige mehr. Die meisten lehren in Palästina, den USA oder Großbritannien. Wir haben auch Referenten aus Italien, den Niederlanden sowie aus Berlin, Bochum, Hamburg, Mainz und Potsdam.
Alazzeh und Baumgarten werden über „epistemische Gewalt“ und den fortlaufenden Scholastizid sprechen, also die systematische Zerstörung des palästinensischen Bildungssystems und Wissenschaftsbetriebs. Zudem thematisieren sie die wichtige Rolle palästinensischer Universitäten im Widerstand gegen Kolonialismus und Besatzung.
Daneben wird auf einem Panel die Frage behandelt, wie das Gedenken an den Holocaust und die bedingungslose Solidarität mit Israel miteinander verknüpft wurden und wie gleichzeitig der „Krieg gegen den Terror“ eine neue Welle des antimuslimischen Rassismus in Europa ausgelöst hat. Auch das zentrale Abschlusspanel wird sich mit der aktuellen Unterdrückung palästinensischer Stimmen und den Auswirkungen auf die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit an deutschen Universitäten und im deutschen Diskurs auseinandersetzen. Dabei wird auch das Konzept der Wissenschaftsfreiheit an sich in einer bürgerlichen Demokratie besprochen.
Zusätzlich zu den Hauptvorträgen bieten wir interaktive Workshops und Diskussionsrunden an, in denen spezifische Themen vertieft werden. Das Programm zielt darauf ab, sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die praktischen Konsequenzen der Auseinandersetzung mit Palästina und den damit verbundenen politischen und wissenschaftlichen Herausforderungen sichtbar zu machen.
UZ: Der Palästina-Kongress in Berlin wurde gewaltsam von der Polizei aufgelöst. Von welchen Repressionen seid ihr bisher betroffen? Mit welchen rechnet ihr?
Jule Kettelhoit: Bisher haben wir vor allem Einschränkungen vonseiten der Universitätsleitung in Frankfurt am Main erfahren. So wurden uns nur eine Woche vor der Konferenz die bereits gebuchten Räume entzogen. Dies wurde zwar formal begründet, doch das Statement der Universität lässt keinen Zweifel daran, dass es in Wirklichkeit um das Thema der Konferenz geht. Es ist ziemlich ironisch, dass eine Konferenz, die sich mit dem Thema „Silencing“ beschäftigen möchte, selbst zum Opfer von Canceling wird. Darüber hinaus haben sich schnell die üblichen Verdächtigen gemeldet, allen voran der hessische sogenannte Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker, der ein Verbot der Konferenz forderte. Diese mediale und politische Stimmungsmache erinnert stark an die Repressionen, denen der Palästina-Kongress in Berlin im Vorhinein ausgesetzt war.
Trotz dieser Widerstände wird die Konferenz in Frankfurt stattfinden, und wir hoffen, dass sie störungsfrei durchgeführt werden kann. Allerdings rechnen wir natürlich mit weiteren Versuchen, die Veranstaltung zu stören oder zu verhindern. Es ist zu erwarten, dass auch nach der Konferenz politische und mediale Angriffe auf uns und die Teilnehmenden kommen werden, insbesondere, weil das Thema Palästina in Deutschland immer noch so stark polarisiert wird. Wir werden uns jedoch nicht einschüchtern lassen und weiterhin für eine offene und kritische Diskussion über Palästina und die damit verbundenen politischen Herausforderungen eintreten.
UZ: Wie kann man euch dabei unterstützen?
Jule Kettelhoit: Man kann uns auf verschiedene Weisen unterstützen. Zunächst einmal, indem man sich nicht vom aktuellen Klima des Schweigens einschüchtern lässt und öffentlich solidarisch zeigt. Zudem sind Spenden willkommen, um die Konferenz und unsere Arbeit zu finanzieren. Besonders wichtig ist es aber, politisch aktiv zu werden – sei es durch die Teilnahme an der Konferenz oder durch eigene Aktionen. Je weniger Menschen sich einschüchtern lassen, desto stärker wird die gemeinsame Stimme für Gerechtigkeit für Palästina.
UZ: Die Teilnahmeplätze sind bereits restlos ausgebucht. Wie kann man die Konferenz verfolgen, wenn man kein Ticket bekommen hat oder es nicht nach Frankfurt am Main schafft?
Jule Kettelhoit: Es wird auf unserer Website einen Live-Stream geben, für den man sich zuvor anmelden muss. Außerdem werden an verschiedenen Orten Public Viewings organisiert, bei denen die Konferenz live gestreamt wird. Wir rufen auch Studierende von Unis außerhalb Frankfurts auf, solche Viewings zu organisieren. So kann man die Konferenz auch aus der Ferne verfolgen und Teil der Diskussion werden.
Weitere Infos zur Konferenz gibt es hier.