Das Freihandelsabkommen CETA und die Folgen für die Kommunen

Das Schweigen brechen

Kommunalpolitische Kolumne

Im Jahr 2014 erreichten die Diskussionen über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA die deutschen Rathäuser. Schon damals waren die kommunalpolitischen Akteure nicht gerade für ihren revolutionären Eifer bekannt. Doch die Aussicht auf erhebliche Einschränkungen für die demokratische Selbstverwaltung brachte die Ratspolitik in Bewegung. Den Anfang machten die kommunalen Spitzenverbände mit einem gemeinsamen Positionspapier. Sie protestierten gegen die geplante Liberalisierung der Daseinsvorsorge, eine als „Investitionsschutz“ getarnte Paralleljustiz und den Abbau von Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz. Hunderte deutsche Kommunen schlossen sich der Stellungnahme an. Gemeinderäte diskutierten plötzlich über Weltpolitik und bis zum Jahr 2016 stellten sich europaweit mehr als 2.000 Städte und Gemeinden gegen die Freihandelsabkommen.

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Die schwarz-rote Bundesregierung wollte dem Treiben der abtrünnigen Kommunen, die sich schamlos als „TTIP/CETA-freie Zonen“ bezeichneten, nicht tatenlos zusehen. Ein Rechtsgutachten wurde in Auftrag gegeben und kam zu dem Schluss, dass Kreis- und Gemeinderäten „eine politische Erörterung oder Bewertung der geplanten Freihandelsabkommen“ nicht zustehe. Doch der Maulkorb hatte keinen Effekt. Viele Räte ignorierten die Anweisung und mehrere Bundesländer weigerten sich offen, ihren Ratsmitgliedern vorzuschreiben, worüber sie reden durften. Es knirschte mächtig im föderalen Gebälk.

Mit der Wahl von Donald Trump verschwand TTIP vorerst in der Versenkung. CETA, das Abkommen zwischen der EU und Kanada, trat im Jahr 2017 vorläufig in Kraft. Geht es nach der Ampel-Koalition, soll es in Kürze vom Bundestag abgesegnet werden. Die aus kommunalpolitischer Sicht gefährlichsten Regelungen werden erst nach abgeschlossener Ratifizierung vollständig wirksam. Dazu gehört die erzwungene Marktöffnung für öffentliche Dienstleistungen. Immer wieder wird behauptet, dass wesentliche Teile der Daseinsvorsorge geschützt seien. Doch die dafür vorgesehene „Negativliste“, in der alle Aufgaben benannt sind, die nicht liberalisiert werden müssen, ist unvollständig und bietet viele Schlupflöcher.

Die Wasserversorgung sucht man zum Beispiel vergebens. Wasservorkommen werden nur dann vor dem Zugriff von Privatinvestoren geschützt, wenn sie bisher nicht „kommerziell genutzt“ werden. Da viele Stadtwerke jedoch privatrechtlich organisiert sind, könnte die kommunale Wasserwirtschaft als kommerzielle Nutzung angesehen werden. Das würde eine regelmäßige Ausschreibung unter Beteiligung kanadischer Konzerne erzwingen. Hinzu kommt die sogenannte „Ratchet-Klausel“, die besagt, dass vorgenommene Privatisierungen nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Wie bei der namensgebenden Ratsche dreht sich das Zahnrad entlang der Sperrklinge nur in eine Richtung. Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, die im Jahr 2013 aufgrund eines Volksentscheides erfolgte, wäre unter den Bedingungen von CETA nicht möglich gewesen – zumindest nicht ohne millionenschwere Klagen zu provozieren.

Es ist offensichtlich, dass die Ampel den Schatten des Ukraine-Krieges nutzen will, um CETA im Rahmen eines politischen Verwirrspiels durchzupeitschen. Dazu gehören auch die Behauptungen, dass der undemokratische „Investitionsschutz“ abgeschwächt werden könnte. Verbindliche und rechtssichere Wege, dies zu tun, wurden bisher nicht aufgezeigt. Stattdessen wird der über die Jahre ohnehin abgeebbte Widerstand klein gehalten. Gewerkschaften und NGOs erhielten gerade einmal 24 Stunden für eine Stellungnahme zum Ratifizierungsgesetz. CETA stärkt die Machtposition von international agierenden Großkonzernen und schwächt demokratische und soziale Rechte. Das derzeitige Schweigen dazu muss durchbrochen werden – nicht nur, aber auch in den Kommunen.

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"Das Schweigen brechen", UZ vom 16. September 2022



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