SDAJ über die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes

Das Schlimmste verhindert

In der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen wurde am Wochenende eine Einigung zwischen der VKA und ver.di ausgehandelt. Wähnten sich die Arbeitgeber, unterstützt durch die Berichterstattung vieler Leitmedien, in einer guten Position, lang geplante Angriffe auf das Tarifsystem im öffentlichen Dienst durchzusetzen, sorgte das kämpferische Auftreten der Beschäftigten dafür, dass sie damit nicht durchkamen. Besonders schwerwiegende Angriffe auf die Beschäftigten, wie ein Eingriff in das Eingruppierungssystem oder in die Übernahmeregelung der Auszubildenden konnten verhindert werden. Auch die von den Arbeitgebern geforderte extrem lange Laufzeit von drei Jahren konnte abgewehrt werden.

Was wurde ausgehandelt?

Dennoch ist der Abschluss weit entfernt von den ursprünglichen ver.di-Forderungen. Statt der geforderten Lohnerhöhung um 4,8% gibt es erst einmal sieben Nullmonate und danach eine Erhöhung in zwei Stufen, die für den jeweiligen Zeitraum voraussichtlich gerade die Inflation ausgleichen wird. Zum Vergleich: Im Juli beschloss die Bundesregierung, der Lufthansa mit 9 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen – zur Freude ihrer Aktionäre. Das Volumen des am Wochenende zwischen VKA und ver.di ausgehandelten Tarifvertrags, der 5 Millionen Beschäftigte betrifft, beträgt mit 4,9 Milliarden Euro gerade mal die Hälfte davon. Die Rettung der Profite der Lufthansa-Eigner ist der Regierung offenbar mehr wert, als eine Anerkennung für die mehreren Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die während der Pandemie den Laden am Laufen halten müssen.

Die gestaffelte einmalige Corona-Prämie wird ebenfalls gerade die Nullmonate ausgleichen, statt dass sie eine angemessene Entschädigung der gesundheitlichen Risiken darstellt, die die Beschäftigten in der Pandemie eingehen müssen. Die bisher ausgezahlte Leistungsorientierte Bezahlung kann nun für Zuschüsse für Fitnessstudios und Jobtickets verwendet werden – die Arbeitnehmer sollen also die Attraktivitätssteigerung ihres Berufs aus eigener Tasche bezahlen.

Die Einführung von Kurzarbeit durch den TV Covid und die damit verbundenen Lohneinbußen wird bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

Ein Abschluss, der spaltet

Von der geforderten 300€-Pflegezulage sind gerade einmal 70€ bzw. 120€ geblieben – ein Hohn für alle Pflegebeschäftigten, die aufgrund des Personalmangels tagtäglich ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen. Viel können sich die vor wenigen Monaten noch beklatschten „CoronaheldInnen“ davon nicht kaufen. Dass diese Zulage nur für das Pflegepersonal gilt, stellt durch die Nichtberücksichtigung der anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen eine Spaltung der Belegschaft dar. Eigentlich stünde sie allen Beschäftigten zu.

Eine Verschlechterung stellt der Tarifvertrag auch für die Flughafenbeschäftigten dar, bei denen Personalkosten eingespart werden sollen. Die Sonderzahlung der Sparkassenangestellten wird abgesenkt und eine Entgelterhöhung nach hinten verschoben. Die Aufhebung der Spaltung von Beschäftigten in Ost und West durch die Angleichung der Arbeitszeit für die Beschäftigten im Osten geht weiterhin schleppend voran und ist je nach Branche erst 2023 bzw. 2025 erreicht.

Eine historische Neuerung

Der größte Erfolg der Arbeitgeber dürfte die lange Laufzeit sein – obwohl sie deutlich unter den ursprünglich von der Arbeitgeberseite geforderten 36 Monaten liegt. Der verhandelte Tarifvertrag gilt bis zum 31.12.2022, das bedeutet 28 Monate Friedenspflicht! Das ist die längste Laufzeit in der Geschichte des TvöD!

Was sagen die Beschäftigten?

Bei den Betroffenen, die bei der anstehenden Mitgliederbefragung über das Ergebnis abstimmen müssen, gehen die Haltungen auseinander. Die einen sind der Meinung, dass der Abschluss vor dem Hintergrund der Krise und im Gegensatz zum vorgelegten Angebot der Arbeitgeber einen Erfolg darstellt, die anderen sind enttäuscht und wünschen sich weitergehende Verbesserungen.

Tarifauseinandersetzungen in der Krise

Sicherlich hat ver.di den Arbeitgebern einige Zugeständnisse abringen können. Die Gewerkschaft hat es zudem geschafft, trotz der Einschränkungen durch die Pandemie die Basis mit einzubeziehen, neue Betriebe zu erschließen und Streikformen zu finden, die den Gesundheitsschutz der Beschäftigten berücksichtigen.

Es war gut und richtig, dass sich trotz des Drucks der bürgerlichen Medien, die vor allem die Arbeitgeberhaltung abbildeten und den Verzicht predigten, so viele an den Warnstreiks beteiligt haben. Auch wir als SDAJ haben diese unterstützt, wo wir nur konnten. Besonders das Pflegepersonal war hier überproportional vertreten, wodurch vielerorts Stationen geschlossen werden mussten. Diese Kampfbereitschaft spiegelt sich darin wider, dass es für sie immerhin eine Zulage gibt.

Dennoch werden die Kosten der kapitalistischen Krise, die die Beschäftigten in keinster Weise verursacht haben, unter anderem durch ausbleibende Reallohnsteigerung auf diese abgewälzt. Wäre es am Wochenende zu keiner Einigung gekommen und hätten die Beschäftigten zusammen mit ver.di weiterhin Druck aufgebaut, wäre sicherlich noch mehr rauszuholen gewesen!

Jetzt nicht die Füße stillhalten!

Von der langen Laufzeit dürfen wir uns nun nicht lähmen lassen! Die nächsten Monate müssen genutzt werden, um die Schlagkraft der Belegschaften und ihrer Gewerkschaft zu stärken. Statt auf Sozialpartnerschaft zu setzen und Streik als Ultima Ratio zu betrachten, gilt es nun, die Organisierung und Kampfbereitschaft zu steigern, um auch weitergehende Forderungen zu diskutieren und durchzusetzen. Was wir brauchen ist eine Abschaffung der Fallpauschalen im Gesundheitswesen, eine flächendeckende bedarfsgerechte Personalbemessung und eine Arbeitszeitverkürzung auf 30h/Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

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