AfD- und Unionspolitiker wollen deutsche IS-Kämpfer ausbürgern

Das Rückwirkungsverbot stört

Von Nina Hager

Seit US-Präsident Donald Trump Mitte Februar die europäische Staaten aufgefordert hatte, die in Nordsyrien inhaftierten IS-Kämpfer, die aus anderen Ländern stammen, zurückzuholen und gedroht hatte, sie anderenfalls freizulassen, gibt es hierzulande Debatten. Einig ist man sich dabei in Regierung wie Bundestag – bis hin zur Linkspartei – deutsche Staatsbürger zurückzunehmen und hier vor Gericht zu stellen. Doch es geht dabei um weitaus mehr, nämlich um die doppelte Staatsbürgerschaft.

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hatte in der vorigen Woche gegenüber dem „Stern“ gefordert, nicht nur IS-Kämpfer, die eine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in Deutschland anzuklagen, zu verurteilen und „wegzusperren“, sondern zugleich IS-Kämpfern mit einer doppelten Staatsbürgerschaft den deutsche Pass zu entziehen. Insgesamt sind derzeit nach offiziellen Angaben in Syrien und dem Irak etwa 3 000 frühere IS-Kämpfer und ihre Familien inhaftiert, rund 120 davon sind deutsche Staatsbürger.

Am Wochenende sprach sich auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gegenüber der „Welt am Sonntag“ für einen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft unter bestimmten Bedingungen aus. Zwar müsse Deutschland eigentlich seine Staatsangehörigen zurückzunehmen, hatte Ziemiak erklärt. „Wer allerdings über eine doppelte Staatsangehörigkeit verfügt, die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erhalten und Verbrechen begangen hat, der sollte die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren.“

Die Unionsparteien haben sich bis heute nicht mit der doppelten Staatsbürgerschaft abgefunden. Allerdings eignen sich die aktuellen Ereignisse wohl nicht, auf einschneidendere Maßnahmen zu drängen oder gar den Doppelpass wieder zu kippen. Die Schröder-Fischer-Regierung hatte 1999 gegen den Widerstand der Unionsparteien durchgesetzt, dass ab 1990 in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch deutsche Staatsbürger wurden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt waren. Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bereits vor ihrer Wahl zur Vorsitzenden versprochen, die bisherigen Regeln für die doppelte Staatsbürgerschaft zu überprüfen.

Im Koalitionsvertrag wurde Anfang 2018 vereinbart, einen neuen „Verlusttatbestand“ in das Staatsangehörigkeitsgesetz einzufügen, wonach „Deutsche, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können, wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen werden kann“.

Prinzipiell ist in der Bundesrepublik Deutschland der Entzug der Staatsbürgerschaft nach Artikel 16 Grundgesetz verboten. Um politischem Missbrauch vorzubeugen, darf kein Bürger durch Entzug ausgebürgert werden. „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Zum Verlust kommt es entsprechend bisheriger gesetzlicher Regelungen, wenn bei der Einbürgerung falsche Angaben gemacht wurden. Bislang gilt auch, dass nur die Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft oder der freiwillige Eintritt in die Streitkräfte eines anderen Staates – der IS ist kein Staat im Sinne des internationalen Rechts, seine Miliz keine Armee eines Staates – zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft führen. Letzteres soll durch den neuen Verlusttatbestand geändert werden.

Eine entsprechende Gesetzesänderung ist in Vorbereitung. Wie das „Handelsblatt“ mitteilte, gibt es jedoch im Innenministerium noch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn auch hier gelte das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot. Und das bedeutet, dass eine Gesetzesänderung in den „Altfällen“ nicht wirksam wäre.

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"Das Rückwirkungsverbot stört", UZ vom 1. März 2019



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