„Nationale Sicherheitsstrategie“ der Bundesregierung

Das reicht noch nicht

Die „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Bundesregierung beinhaltet eine gefährliche Orientierung auf weitere Zuspitzungen des wirtschaftlichen und militärischen Konfrontationskurses gegenüber Russland und in der Perspektive auch gegenüber China. Sie schreibt das bereits beschlossene Aufrüstungsprogramm fort und fordert die Herstellung von „Resilienz“ der Bevölkerung. Es geht um den Aufbau der öffentlich zunehmend beschworenen inneren Wehrhaftigkeit oder, um es präziser zu sagen, die Herstellung einer geschlossenen Heimatfront.

Damit ist das Dokument ein brandgefährlicher Meilenstein auf einem Kurs, der mit der Annexion der DDR begonnen wurde. Die Hauptgefahr wird aber erst deutlich unter Einbeziehung der Reaktionen, die das Dokument sowohl international als auch national hervorgerufen hat.

Es gibt eine gewisse Belustigung gegenüber der gestelzten Ausweitung des Sicherheitsbegriffs bis hin zur absurden Formulierung von Außenministerin Baerbock bei der Vorstellung der unter ihrer Federführung entstandenen „Strategie“, die Sicherheit begänne für den Bürger bereits bei der Gewissheit, morgens mit sauberen Wasser duschen zu können. In der Tat haftet der Hochglanzbroschüre etwas Laberhaftes an. Der in London erscheinende „Economist“ stellt denn auch seinen Verriss dieses Papiers unter die lästernde Überschrift „Große Worte“ und beginnt mit Verweis darauf, dass nach den Dänen, den Niederländern, Jamaika, Honduras und Papua Neuguinea nun endlich auch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt „in den sauren Apfel gebissen“ und so ein Papier vorgelegt hätte. Es enthalte vor allem schöne und hehre Worte, aber kaum handfeste Maßnahmen. Das ja schon beschlossene 2-Prozent-Ziel der NATO-Hochrüstung werde sogar durch einen Mehrjahresbezug aufgeweicht. Die Position gegenüber China sei von Rücksichtnahme geprägt und es fehle der Mut, analog den Vereinigten Staaten einen „Nationalen Sicherheitsrat“ einzurichten, der im Falle von Zuspitzungen das Krisenmanagement energisch in die Hand nehmen könne.

In ähnlicher Richtung ging auch die Kritik der beiden größten Oppositionsparteien. Für die CDU/CSU mahnte Johann Wadephul „dringend notwendige operative Handlungsempfehlungen“ an und vor überwiegend leerem Plenum forderte für die AfD der ehemalige Generalleutnant der Luftwaffe Joachim Wundrak einen beim Kanzler angesiedelten „Nationalen Sicherheitsrat“ sowie mehr Geld fürs Militär. In dieselbe Kerbe schlug am Tag danach in der „FAZ“ auch Nikolas Busse – der sich immer wieder hervortut, um öffentlich die Atombewaffnung der Bundeswehr wieder ins Gespräch zu bringen.

Noch muss der erneute Griff nach der Weltmacht mit allerlei Prosa beschönigt werden. Vor allem, weil die Mehrheit der Deutschen laut Umfragen trotz jahrelanger und intensivierter Bemühungen noch immer nicht kriegsgeil ist. Wie sich die sozialen Folgen der Ampelpolitik auswirken werden, ist noch offen.

Vor allem die reaktionärsten, den engen Schulterschluss mit den USA im Rahmen der NATO suchenden Kräfte haben seit Jahren auf ein solches Papier gedrängt. Das, was der Zeitenwendekanzler ihnen jetzt vorgelegt hat, reicht ihnen nicht. Die Aussicht auf ein Viertel des Bundeshaushalts für Krieg und Aufrüstung ist ihnen zu wenig. Sie fordern die Möglichkeit, mit einem „Sicherheitsrat“ das Grundgesetz und damit die bürgerliche Demokratie außer Kraft setzen zu können. Und natürlich die Atombombe für Deutschland. Dass auch Außenministerin Baerbock dazu bereit ist, droht sie in ihrem Vorwort an: „Dieser Text ist kein Schlusspunkt, sondern ein Anfang.“

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"Das reicht noch nicht", UZ vom 30. Juni 2023



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