Opel-Vorstandsvorsitzender Michael Lohscheller weiß, wie man es macht. Als er das Spar- bzw. Sanierungsprogramm für Opel auf der Betriebsversammlung in Rüsselsheim in der vergangenen Woche vorstellt und von Einsparungen bei den Personalkosten spricht, sagt er: „Wir fangen bei uns an – die Treppe wird von oben gekehrt“. Die Botschaft ist klar: Wir müssen in schwierigen Zeiten zusammenhalten und alle unseren Beitrag leisten zur Sanierung des angeschlagenen Autoherstellers.
Seit der Übernahme von Opel durch den französischen PSA-Konzern lief die Gerüchteküche unter den Beschäftigten heiß, welche Pläne der neue Inhaber für die Opelaner hat. Und so war fast so etwas wie Erleichterung zu spüren, als die Grundzüge der neuen Zukunftsplan „PACE!“ vorgestellt wurden. Denn alle Pläne sollen ohne betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen auskommen. Zunächst einmal. Ob das funktionieren wird, ist mehr als fraglich, denn die Einsparvorgaben sind hart. PSA-Chef Tavares sagt deutlich: Nur wenn die Restrukturierung den gewünschten Erfolg bringe, also Profitabilität der Marke Opel bis 2020, können Entlassungen vermieden werden.
Offiziell sind bislang wenige Details des Sparprogramms bekannt. Die Produktionskosten sollen um 20 Prozent gesenkt werden, pro Fahrzeug sollen 700 Euro weniger ausgegeben werden. Entscheidender Schritt dafür ist die Umstellung auf Produktionssysteme und Technologien von PSA. Statt der bisherigen neun Fahrzeug-Plattformen werden die Opel-Autos auf zwei PSA-Architekturen umgestellt. Die zehn verschiedenen Motoren- und Antriebsstrangkombinationen werden auf vier optimiert, die auf zwei PSA-Motoren basieren. Die Komplexität in der Fertigung wird reduziert, beispielsweise indem Ausstattungsoptionen eingeschränkt werden. Das bedeutet zwangsläufig weniger Arbeit für die Opelaner. Im ersten Schritt soll dies durch die Rückführung der insbesondere im Entwicklungszentrum in Rüsselsheim weitverbreiteten 40-Stunden-Verträge auf die tarifliche 35-Stunden-Woche aufgefangen werden. Außerdem werden Altersteilzeitprogramme auf weitere Jahrgänge ausgeweitet, Überstunden sind gestrichen und einige hundert Leiharbeiter werden nach Hause geschickt – so viel zum Thema „keine Kündigungen“. Damit die Arbeit in der Produktion trotzdem läuft, werden die auslernenden Auszubildenden ans Band übernommen.
Erste Vorboten des rigiden Sparkurses zeigten sich in Rüsselsheim schon in den letzten Wochen. Abteilungsleiter riefen im vorauseilenden Gehorsam ihre Leute zusammen und verkündeten, dass nur noch die Hälfte von ihnen zukünftig gebraucht werde. Unter „Kurioses“ zu verbuchen: Wasserspender wurden abgebaut und Kekse verschwanden aus den Besprechungsräumen. Jeder Stein wird umgedreht werden in den nächsten Wochen, um Cents und Euros zusammenzukratzen. Erwartet werden abteilungsweise Sparvorgaben von 30 bis 50 Prozent.
Bei der britischen Opel-Schwestermarke Vauxhall werden schon jetzt härtere Töne angeschlagen. Für das Werk im englischen Ellesmere Port sind Entlassungen von 400 Beschäftigten angekündigt, um die Profitabilität des Werkes zu erhöhen.
Es kommen harte Zeiten auf die Opelaner zu. Trotzdem war die Stimmung bei der Betriebsversammlung positiv, wohl weil Schlimmeres erwartet worden war. Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Schäfer-Klug betonte, dass diese Pläne des Opel-Managements noch nicht in Stein gemeißelt sind. Die Details der Umsetzung sind verhandelbar und der Betriebsrat wolle „hart verhandeln“.
Auf eine stärkere Einbeziehung der Belegschaft oder gar Widerstand gegen die Sparpläne deutet allerdings nichts hin. Stattdessen regiert das Prinzip Hoffnung. Der Zukunftsplan „PACE!“ basiert auf der Annahme, dass neue Märkte für die Marke Opel erschlossen werden können und die Absatzzahlen steigen. Außerdem wird auf Elektrifizierung gesetzt, Rüsselsheim soll zum Kompetenzzentrum für den gesamten Konzern werden. Nur wenn all das funktioniert, wird Opel ohne Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen auf Profitkurs gebracht werden. Eine illusorische Annahme, bei den enormen Überkapazitäten in der Autoindustrie und gesättigten Märkten. Aber eine andere Möglichkeit als Hoffen sehen die Kollegen nicht.