Bauern leiden nicht nur unter hohen Abgaben, sondern auch unter den niedrigen Lebensmittelpreisen

Das Preisdiktat der „Big Four“

Traktorkonvois, Straßenblockaden und Kundgebungen: Die geplanten Kürzungen der Agrarsubventionen haben das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Die eigentlichen Gründe für die Wut der Bauern liegen tiefer. Obwohl die Preise für Nahrungsmittel zum Leidwesen der Verbraucher deutlich angestiegen sind, erhalten Landwirte für ihre Produkte immer weniger Geld. Nach Daten des Statistischen Bundesamts lagen die Nahrungsmittelpreise im Oktober 2023 um gut 6 Prozent höher als im Oktober 2022. Die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte gingen hingegen im gleichen Zeitraum um 14,5 Prozent zurück.

Eine Ursache für diese Entwicklung ist die Konzentration der Marktmacht in den Händen weniger Discounterketten. Noch 1999 gab es bundesweit acht große Lebensmittelhändler mit einem Marktanteil von zusammen 70 Prozent. Seit 2015 sind es mit Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland) nur noch vier Konzerne, die mit einem Anteil von 85 Prozent den Markt beherrschen. Diesen „Big Four“ stehen tausende Nahrungsmittelproduzenten gegenüber, die mangels Alternativen auf den Absatz über die großen Handelskonzerne angewiesen sind. Angesichts dieser ungleichen Verhandlungspositionen sprach selbst Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) jüngst im Südwestfunk (SWF) von „einem Oligopol, das zu untersuchen“ sei.

Rewe, Aldi und Co. beteuern zwar, man könne die strukturellen Probleme in der Landwirtschaft sehr gut nachvollziehen – waschen ihre Hände aber in Unschuld: Man müsse sehen, dass nur ein geringer Teil der Produkte, die von der Landwirtschaft in Deutschland erzeugt werden, überhaupt in die Regale der Supermärkte wandern und die Landwirtschaft eigentlich von Weltmarktpreisen abhängig sei.

Die Macht der Monopole zu brechen oder zumindest einzuschränken kommt auch Betriebswirtschaftlern nicht in den Sinn, obwohl diese bei anderer Gelegenheit gerne das Loblied auf die „Freiheit des Markts“ singen. Stattdessen moralisiert man über „mangelnde Wertschätzung der Lebensmittel durch die großen Handelsketten“. Über viele Jahre hätten die Discounter die Verbraucher in Deutschland zu einem gewissen „Geiz bei Lebensmitteln“ erzogen, so beispielsweise Enno Bahrs, Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim. „Hierzulande wird der teure Grill gekauft, auf den dann das Billigfleisch gelegt wird.“ Daher sei es wichtig, ein Umdenken in der Bevölkerung voranzutreiben und den Wert gesunder Ernährung und hochwertig erzeugter Produkte etwa schon in der Schule stärker zu vermitteln, so Bahrs vergangene Woche im SWR.

So wird weiter an der Legende von der „Macht der Verbraucher“ im Monopolkapitalismus gestrickt. Diese könnten heimische Bauern sowie eine nachhaltige Landwirtschaft unterstützen, wenn sie dies möchten, indem sie direkt beim Erzeuger kaufen und regionale Kreisläufe unterstützen, etwa auf dem Wochenmarkt oder im Hofladen, so Bahrs. Dort sei es zwar teurer als im Discounter, doch es lohne, sich zu fragen: Wie will ich mich ernähren, welche Qualität sollen die Erzeugung und die Produkte haben und was bin ich bereit auszugeben? Die Frage, was sich Menschen mit geringen Einkommen – gerade in Zeiten von Krise und Inflation – leisten können, stellt er nicht.

Die Bundesregierung indes ruft bei einem Treffen im Kanzleramt den Handel zu fairen Bedingungen für die Erzeugerinnen und Erzeuger auf. Unlautere Praktiken sollen per Gesetz verboten und die entsprechende bereits beschlossene EU-Richtlinie möglichst schnell umgesetzt werden. Darüber hinaus ist geplant, eine Beschwerdestelle für Erzeuger einzurichten, bei der „unfaire Handelspraktiken“ gemeldet werden können.

Die Sache hat nur einen Haken. Das Treffen im Kanzleramt fand bereits 2020 statt. Die Kanzlerin hieß Angela Merkel (CDU) und die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CSU). Vier Jahre später hat sich an der Abhängigkeit der Landwirte von den Monopolen, trotz aller Beteuerungen aus der Politik, substanziell immer noch nichts geändert.

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"Das Preisdiktat der „Big Four“", UZ vom 19. Januar 2024



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