Zwei Aussagen standen seit Beginn der antifaschistischen Bewegung nach der Befreiung von 1945 in ihrem Zentrum. Das war die Losung vom „Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit“ im Schwur von Buchenwald und die völkerrechtliche Festlegung der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte: „Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören.“
Die nachhaltige und dauerhafte Entmilitarisierung Deutschlands – diese Forderung, die mit den leidvollen Erfahrungen und Bedürfnissen der Menschen einherging – bedeutete nicht allein die militärische Demobilisierung, sondern auch die Entmilitarisierung des öffentlichen Lebens, das durch militärische Erziehung, durch Militarisierung der Arbeit und Strukturen des „Befehl und Gehorsam“ in der Verwaltung geprägt war. „Es gilt nicht nur den Schutt aus den Straßen zu räumen – sondern auch aus den Köpfen“, so hieß es auf den Gründungsversammlungen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die sich in diesen Tagen zum 70. Mal jähren. Die Überlebenden des Widerstandes hatten sich partei- und konfessionsübergreifend vereinigt.
Diese antifaschistische Bewegung, im Kalten Krieg schweren Prüfungen und Behinderungen ausgesetzt, blieb in ihrem Kern immer eine Friedensbewegung und zugleich eine speziell der deutschen Verantwortung verpflichtete Bewegung: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!
Das war die überwältigende Mehrheitsmeinung in allen Zonen des ehemaligen Reiches. „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen“, rief der CSU-Politiker und spätere Bundeswehrminister Franz Josef Strauß 1949 bei einer Wahlkundgebung. Doch bald schon betrieben Politiker wie Strauß und Adenauer beidhändig die Wiederaufrüstung und Kriegsvorbereitung.
Die Friedensbewegung und mit ihr die VVN hielten dagegen. Die Forderung nach Anerkennung der Nachkriegsgrenzen und nach Verbot jeder deutschen Aufrüstung musste mit dem Preis der erneuten Verfolgung von Antifaschisten bezahlt werden. Denn auf einem Sektor hatte die VVN beinahe das Alleinstellungsmerkmal: Bei der Verbindung von Antifaschismus und Antimilitarismus in der täglichen Praxis. Eine Bundeswehr unter Führung von Nazigenerälen, die auf Offensive gen Osten aus waren – nun an der Seite des Westens – wurde von den Antifaschisten immer wieder in den Blick genommen und entlarvt. Im Januar 1958 hatte die Vereinigung ein Flugblatt „Aufrüstung führt zum Krieg“ mit dem Text einer Vorstandserklärung verbreitet, in der es hieß, „dass die ehemaligen Hitler-Generale und SS-Führer innerhalb der Bundeswehr Atom- und Raketenwaffen fordern“ und dass dies die Politik der Regierung geworden sei.
Im Jahr 1974 – im Zuge der Entspannungspolitik – hat die VVN, nun mit dem Zusatznamen „Bund der Antifaschisten“, den „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Friedens“ vorgelegt, der sich als Umsetzung des Artikels 26 Grundgesetz verstand. Ein Entwurf, der verdient, auf Wiedervorlage gelegt zu werden. Wieder vorgelegt werden muss nun auch die von der Generalität bei der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages gemachte Drohung, im Falle eines europäischen Militärbündnisses wieder auf eigenen Atomwaffen zu bestehen. Davon hört man derzeit wieder so manches.
Nach der „Wende“ von 1990 gab es keine Friedensdividende, sondern neue Kriege. Die VVN überstand ihre Krise in jener Zeit. Sie gab und gibt dem Ringen um Frieden und Demokratie, gegen neue Nazis, derzeit besonders gegen die AfD, starke Impulse. Die erschreckenden weltweiten Kriegsszenarien von heute sollten nicht den Blick auf besondere Aufgaben für die derzeitige deutsche Friedensbewegung verstellen. In dieser Situation ist von breitesten Bündnissen der Blick auf unsere deutsche Verantwortung vor der Geschichte zu richten: Abrüstung und kein Krieg von deutschem Boden aus, kein Ramstein, kein Kalkar, keine Speerspitze im Münsterland. Zutreffend die VVN-BdA-Losung mit Blick auf den Hauptfeind im eigenen Land: „Deutsche Großmachtträume platzen lassen“.
Ulrich Sander ist Bundessprecher der VVN-BdA