Das nächste Spardiktat

Olaf Matthes zum Kampf um Italiens Haushalt

Die italienische Regierung habe einen „Haushalt des Volkes“ beschlossen, jubelte der Chef der „Fünf Sterne“, Luigi Di Maio. Wie zur Bestätigung will die EU-Kommission den Haushalt blockieren und droht mit Strafen, weil Italien zu viele neue Schulden aufnehmen will.

Di Maio regiert gemeinsam mit der reaktionären, rassistischen Lega um den Innenminister und eigentlichen Regierungschef Matteo Salvini. Wenn aus solchen Kreisen vom „Volk“ die Rede ist, darf gefragt werden, was das ist und wer dazugehört. Zu dem Volk, das die italienische Regierung mit sozialen Verbesserungen zu bedenken behauptet, gehören Flüchtlinge jedenfalls nicht. Die Regierung plant, gerade bei der Versorgung von Flüchtlingen besonders viel Geld einzusparen. Für Arbeitslose sieht der Haushalt dagegen erhöhte Leistungen vor – sie gehören zum Volk, jedenfalls solange sie die von der Bürokratie verordnete „sozial nützliche Arbeit“ erledigen oder Job­angebote annehmen. „Fünf Sterne“ und Lega verkaufen auch die teilweise Einführung einer „Flat Tax“ – eines einheitlichen Steuersatzes – als soziale Maßnahme. Linke Kräfte fordern natürlich eine stärkere Progression, also höhere Steuersätze für hohe Einkommen. Der Haushalt sieht Investitionen in die marode Infrastruktur vor, italienische Bauunternehmer dürfen sich ganz besonders als Teil des Volkes fühlen.

Trotzdem: Der Haushalt, den das italienische Kabinett beschlossen hat, enthält einige sinnvolle Maßnahmen, er stellt eine sanfte Abkehr von der verordneten Sparpolitik dar. Das ist der Grund, aus dem die EU-Kommission den Haushalt ablehnt. Die Lega-Sterne-Koalition macht eine Politik der bescheidenen, rassistischen Keynesianer.

Der Konflikt zeigt zunächst nur einmal mehr, dass das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nichts an den Ungleichgewichten geändert hat, die die EU mit der Verarmung der griechischen Bevölkerung und Milliardenzahlungen an Banken übertünchen wollte.

Den Rassismus Salvinis kann die EU-Kommission mit erhobenem Zeigefinger dulden. Am Spardiktat versucht sie festzuhalten. Natürlich schränkt es die Souveränität eines Landes ein, wenn es seinen Haushalt, die wichtigste politische Entscheidung, nach den Wünschen der hohen Herren in Brüssel richten soll.

Die deutsche Bundesbank bringt sich als Hardliner der Stabilitätspolitik ins Spiel: Um die Staatsschulden zu senken, solle die italienische Regierung alle Italiener mit einem Vermögen von mehr als 50 000 Euro zwingen, ihr 20 Prozent dieses Geldes zu leihen. Die Bundesbanker nennen das „Solidaritätsanleihe“ und zeigen mal wieder, dass ihre Vorstellung von Solidarität ist, dass andere für die großen Banken, die die Staatsanleihen halten, zahlen. Dagegen vertrauen andere Kräfte des EU-Apparates darauf, dass die Zinsen für die italienischen Staatsschulden nun so weit steigen, dass „die Märkte“ dem Italiener schon von selbst Stabilität einpauken werden.

Die Rating-Agenturen haben italienische Staatsanleihen herabgestuft. Die Renditen der Anleihen, also die Zinsen, die der italienische Staat auf seine Schulden zahlen muss, sind gleichzeitig gestiegen. Der Unterschied zwischen den Zinsen auf italienische und deutsche Staatsanleihen liegt inzwischen ähnlich hoch wie 2012 während der „Euro-Krise“.

Nur: Schon weil die italienische Wirtschaft viel größer ist als die griechische, kann die EU-Kommission Italien gegenüber das Spardiktat nicht auf dieselbe Schaftstiefel-Weise durchsetzen wie gegen Griechenland. Und Salvini lässt zwischen den Zeilen erkennen, dass es ihm bei dem Haushalt darum geht, sich im Land zu profilieren – der EU gegenüber macht er deutlich, dass er Italien im Euro halten will und bereit ist, Banken mit dem Geld der Bevölkerung zu retten. Sie werden sich schon einig werden.

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"Das nächste Spardiktat", UZ vom 2. November 2018



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