Wäre Ludwig Lessen einer der heute noch bekannten Journalisten und Schriftsteller, dann würde man 2023 ein Ludwig-Lessen-Jahr ausrufen können. Doch er ist nahezu vergessen. So müssen wir uns begnügen, aus Anlass des 80. Todestages am 11. Februar und des 150. Geburtstages am 17. September wenigstens kurz an sein Werk zu erinnern.
„Wem schon ist bekannt, dass Ludwig Lessen zu den deutschsprachigen Arbeiterschriftstellern zählt und so seinen Platz in der deutschen Nationalliteratur hat“, schreibt Hans-Dieter Schneider 1988 im Heimatkalender des Stadt- und Landkreises Eisenhüttenstadt. Schneider nennt Lessen einen „Doppelbelasteten“, denn Lessen wurde als Sozialdemokrat und Jude von den Faschisten 1943 in den Tod getrieben.
Geboren wurde er als Louis Salomon am 17. September 1873 in Lessen – damals Provinz Westpreußen, heute Polen. Sein Lebensweg führte Lessen, wie er sich bald nach seinem Geburtsort nannte, nach Berlin. Ab 1896 begann er seine Redakteurslaufbahn in der sozialdemokratischen Arbeiterpresse. Der SPD blieb Lessen fortan eng verbunden. „Immer hat er aufrecht zur Arbeiterklasse gestanden“, schreibt Schneider, „sei er sich doch bewusst gewesen, dass ein Sieg des Proletariats notwendig ist und kommen wird.“ Doch die Sehnsucht des Proletariats nach einem besseren Leben, dieses „Morgenrot, das wir ersehnen“, blieb oftmals recht verschwommen. Aber „Wer sich in seine Verse hineinliest, der spürt, dass Lessen das Proletariat für eine neue, bessere, sozial gerechte Welt begeistern, gewinnen wollte“, betont Schneider. All das war den Faschisten Grund genug, Ludwig Lessen 1933 bei ihrem Machtantritt das Leben zur Hölle zu machen. Buchhandlungen und Bibliotheken wurden von seinen Schriften „bereinigt“. „Es sollte ihn nicht gegeben haben.“
Ebenso wurde Lessen seine jüdische Herkunft zum Verhängnis. „Als gefürchteter ‚Doppeltbelasteter‘ kam er auf die Abschussliste der faschistischen Machthaber und wurde nach qualvollen Jahren eines der Millionen Opfer des Rassenterrors“, heißt es im Heimatkalender. „Gebrandmarkt mit dem Davidstern, sollte er den Weg ins KZ antreten. Fast 70-jährig ging er freiwillig aus dem Leben.“
Lessens Artikel und Gedichte aus der Zeit bis zum Anfang der 1930er Jahre sind auch heute noch hier und da zu finden. Spätere Gedichte waren bislang unbekannt, sind nun aber in einem Erinnerungsbuch des Heimatmuseums Müllrose bei Eisenhüttenstadt veröffentlicht worden. „Einst schlürfte ich gierig die Schönheit der Welt“, heißt es in einem der Gedichte. „Doch der Weg führt abwärts, wo der Abgrund graust“, dichtet Lessen einige Zeit später. „Der Wanderstab entsinkt der kalten Faust … Dein Herz steht still … still deine Lebensfahrt!“ Am 11. Februar 1943 schied Ludwig Lessen aus dem Leben.