Vorwahlkampf in Frankreich

Das Kandidaten-Karussell

Von Georges Hallermayer

Die „Primaire“ in Frankreich, das sind die Vorwahlen der Parteien, sind ein von den USA abgegucktes Spektakel. Bei den Konservativen hat dabei nun der Rechteste der Rechten mit über 44 Prozent das Rennen gemacht: Maggie-Thatcher-Fan und Ex-Premierminister François Fillon, der schon lange „décomplexé“ ist, als „komplexbefreit“ und bereit, mit dem rechtsextremen „Front National“ zusammenzuarbeiten.

Der durch Umfragen zum Favoriten erklärte Alain Juppé, ebenfalls Ex-Premierminister, holte nur 28 Prozent der Stimmen. Ex-Präsident Sarkozy, unerwartet mit knapp 21 Prozent auf den dritten Platz verwiesen, wird sich erneut ins wohlsituierte Privatleben zurückziehen. Als Ex-Präsident steht ihm eine königliche Apanage zu: Über 3,1 Millionen Euro pro Jahr kostet ein französischer Ex-Präsident (es sind derer insgesamt drei) den Steuerzahler, das ist etwa vier mal so viel wie ein deutscher.

Bereits die Vorwahlen sind ein ziemlicher Aufwand: 10 229 Wahlbüros wurden eingerichtet. Fast vier Millionen Wählerinnen und Wähler wollten es sich nicht entgehen lassen, teilzunehmen. Dafür bezahlten sie gerne die zwei Euro für die Organisation, zeigten ihre amtliche „carte électoral“, in der auch der Wahlbezirk verzeichnet ist. Parteibücher waren nicht gefragt, man unterschreibt lediglich eine Erklärung, wonach man sich als Anhänger bezeichnet. Wie viele Anhänger des Front National wohl mit abgestimmt haben?

Wer auch immer von den beiden, Fillon oder Juppé, als Kandidat der Partei LR, der konservativen Republikaner („Les Republicains“), beim zweiten Durchgang dieser rechten Vorwahl das Rennen macht, das Tor zur Zusammenarbeit mit dem Front National ist bereits weit geöffnet. Der Kandidatenvergleich gleich einem Wettbewerb der sozialen Grausamkeiten: Juppé will den öffentlichen Dienst „nur“ um 200000 Stellen schwächen, Fillon will gleich 500000 Stellen kürzen, u. a. durch weitere Privatisierungen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Juppé will die unsoziale Mehrwertsteuer auf 21 Prozent erhöhen, Fillon überbietet ihn auch hier und will 22 Prozent.

Und was ist mit Europa? Juppé äußerte sich „eurokritisch“, Fillon strebt nach einer EU-Regierung.

Den Rechten steht allerdings mit dem früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ein agiler, sich liberal gebender Konkurrent gegenüber, den die Medien derzeit hochjubeln. Präsident François Hollande hat sich noch nicht erklärt, würde sich aber gerne aus den sogenannten linken Vorwahlen („primaire gauche“) heraushalten. Ebenso sein Schildknappe, Premierminister Manuel Valls, dem zu kandidieren nachgesagt wird, falls Hollande nicht antreten sollte. Nach Politikwechsel sieht das nicht aus, eher nach einer neuen Hackordnung.

Die Grünen hatten bereits Mitte Oktober ihre Kandidatenkür abgehalten. 17000 hatten abgestimmt, dabei zählt die Partei nur 7 000 Mitglieder. Die regierungskritische Frontlady, die frühere Wohnungsbau-Ministerin Cécile Duflot, löste der „reformoffene“ frühere Greenpeace-Aktivist Yannick Jadot ab. Die Grünen hatten damit dem bei Teilen der Sozialisten und Kommunisten gehegten Wunsch einer gesamtlinken Vorwahl eine endgültige Absage erteilt.

Dabei hatte Jean-Luc Mélenchon, der letzte Kandidat der Linksfront, die sich aus Kommunisten, Linkspartei und Grünen zusammensetzte, bereits im Frühjahr erklärt, als Kandidat anzutreten. Das brachte wiederum die Führung der Kommunistischen Partei PCF gegen ihn auf, die eine gemeinsame Vorwahl der „Linken in der Linken“ bis dahin für möglich hielt. Auf ihrem Parteitag vom 2. bis 5. Juni dieses Jahres wurden die beiden Anträge, Mélenchon zu unterstützen, abgelehnt.

In der Zwischenzeit galt es, gegen das gewerkschaftsfeindliche Gesetz „Khomri“ zu mobilisieren und die Parteibasis mittels einer Befragung auf den Wahlkampf vorzubereiten. Am Tag vor dem Wahlkongress der PCF Anfang November, sprach sich der Parteivorsitzende Pierre Laurent dann doch dafür aus, Jean-Luc Mélenchon zu unterstützen. Es hagelte Widerspruch: Die Mehrheit sprach sich dafür aus, mit einem eigenen Kandidaten in den Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen.

Ob es nun daran lag, dass die Linkspartei auch in – auf die Präsidentenwahl folgenden – Wahlen zur Nationalversammlung flächendeckend mit eigener Liste antritt oder daran, dass der „eurokritische“, für den Austritt aus der Nato kämpfende Mélenchon der PCF-Mehrheit nicht passte: Die Parteiführung erhofft sich jedenfalls, über eine an diesem Wochenende stattfindende Mitgliederabstimmung zur Frage, ob die PCF mit einem eigenen Kandidaten antritt, die Partei geschlossen in den Wahlkampf führen zu können.

Mehrere Parteigliederungen haben bereits ihre Unterstützung für Mélenchon angekündigt. Auf der anderen Seite mehren sich Stimmen, die den populären PCF-Abgeordneten und Fraktionssprecher André Chassaigne als Präsidentschaftskandidaten befürworten. Davon unabhängig ist der PCF-Vorsitzende Pierre Laurent überzeugt, dass, unabhängig davon, wie das Resultat ausfalle, „der Weg ein gemeinsamer bleibt und geschlossen verfolgt wird“, wie er es in der Tageszeitung „L’Humanité“ ausdrückte.

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"Das Kandidaten-Karussell", UZ vom 25. November 2016



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