Das ist ein Putschversuch

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Eduardo Barros ist Mitglied der DKP, in Brasilien aufgewachsen und war dort Mitglied der PcdoB

UZ: Das Parlament in Brasilien hat mehrheitlich für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff gestimmt, Teile der Regierungskoalition sind zur Opposition übergelaufen. Wie bewertest du diese Vorgänge? Ist das Amtsenthebungsverfahren Teil der Offensive von rechts in ganz Lateinamerika?

Eduardo Barros: Es ist einerseits Teil einer Offensive reaktionärer Kräfte in ganz Lateinamerika, es gibt aber auch besondere, auf Brasilien bezogene Gründe. Die Rechten haben die Präsidentschaftswahlen 2014 knapp verloren und das Ergebnis nie akzeptiert. Die Oberste Wahlbehörde STF hatte damals die von der Opposition geforderte Neuauszählung der Stimmen abgelehnt, weil es keine Anzeichen für Manipulationen oder ähnliches gab.

Durch den Austritt der PMDB (Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung) aus der Regierungskoalition verlor die Regierung die Mehrheit im Parlament. Seitdem wird die Regierung von der Parlamentsmehrheit regelrecht boykottiert. Unterstützt wird Dilma Rousseff von ihrer Partei, der Arbeiterpartei PT, der kommunistischen PCdoB und der PDT, also der Demokratischen Arbeitpartei.

UZ: Wie sind derzeit die politischen Kräfteverhältnisse in Brasilien?

Eduardo Barros: Eine Mehrheit der Bevölkerung steht hinter der Regierung. Aber diese Mehrheit ist passiv, ja geradezu apathisch gewesen. Diese Haltung der Bevölkerung ist eine Folge der PT-Politik. Seit der ersten Präsidentschaft von Lula haben große Teile der Partei die sozialen Bewegungen vernachlässigt, statt weiter zu organisieren. Da hat sich einfach die Idee verbreitet, dass wir eine Regierung haben, die für die Menschen arbeitet, und dass wir nicht mehr zu kämpfen brauchen. Das betrifft zum Beispiel den größten Gewerkschaftsverband Brasiliens, CUT. Zu dieser Zeit hatte die Regierung der PT allerdings eine große Mehrheit im Parlament, mit einer Koalition aus mehreren kleinen Parteien der Mitte und der Linken und der PMDB, der zweitgrößten Partei, auf ihrer Seite.

Heute ist das Verhältnis ein ganz anderes: Nach der Präsidentschaftswahl 2014 hat die Regierung die Mehrheit verloren und viele kleine rechte und konservative Parteien haben den Einzug ins Parlament geschafft. Durch die vielen Korruptionsskandale haben einige Parteien außerdem die Regierung verlassen.

Die Entscheidung der PMDB (die Partei des Vizepräsidenten), die Regierung zu verlassen, ist zu einem großen Problem geworden. Übrig bleiben nur die PT, PDT, PcdoB – KP Brasiliens und einige kleine Parteien sowie ein paar Dissidenten von PMDB.

Durch die Offensive von Rechts und das Erstarken extrem reaktionärer Kräfte wie der evangelikalen Parteien hat es eine Polarisierung gegeben. Die Kräfte innerhalb der Koalition, die eher Mitte-Rechts gestanden haben, haben sich nun in der Opposition klar rechts positioniert und wollen die Regierung beseitigen.

Eine wichtige Rolle spielen inzwischen diese kleinen, extrem rechten Parteien, die ins Parlament gekommen sind und die Regierung als kommunistisch beschimpfen, ihr eine familienfeindliche Politik vorwerfen, die Homosexuelle heiraten lässt, usw. Gerade religiöse, an den Evangelikalen in den USA orientierte Kräfte sind auf dem Vormarsch und gründen in jeder Ecke eine Kirche.

UZ: Was passiert bei einem Amtsenthebungsverfahren, wie es nun vom Parlament beschlossen wurde?

Eduardo Barros: Nun, zunächst muss das Verfahren noch vom Senat und anschließend vom Obersten Gerichtshof genehmigt werden. Die Opposition hat es dabei sehr eilig, da ist aber noch nichts beschlossen. Sollten beide Instanzen das Amtsenthebungsverfahren zulassen, dann übernimmt Vizepräsident Michel Temer für 180 Tage die Amtsgeschäfte. Und der ist von der PMDB, also von der Opposition.

Nun konnte Dilma Rousseff bisher noch nichts nachgewiesen werden, es gibt keinerlei Beweise für Korruption gegen sie, nur gegen ihre Partei, die PT. Aber es ist zu befürchten, dass diese 180 Tage genutzt werden sollen, um die gewählte Präsidentin aus ihrem Amt zu putschen, wie es zum Beispiel 2012 mit dem linken Präsidenten Fernando Lugo in Paraguay geschehen ist.

UZ: Wie reagiert die Bevölkerung?

Eduardo Barros: Es gibt ja bereits Proteste, und die nehmen zu. Mobilisierungen auf beiden Seiten lassen befürchten, dass es bei einem Putschversuch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen wird.

Seit einiger Zeit gibt es in den Privatmedien ständig Aufrufe und absichtliche Falschmeldungen gegen die Regierung. Die Rede-Globo-Fernsehsender, die großen Zeitschriften „Veja“ und „Isto É“ – sie alle haben damals auch den Putsch von 1964 unterstützt.

Finanziert wird die Kampagne u. a. von den zwei großen Arbeitgeberverbänden FIESP (Industrie) und AMBEV (Getränke), sowie von der US-amerikanischen Koch-Foundation und rechten Jugend- und Studentenorganisationen.

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"Das ist ein Putschversuch", UZ vom 29. April 2016



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