Das „Inforadio“ des Bayerischen Rundfunks heißt BR24. Wie hoch der Informationsgehalt dort tatsächlich ist, hängt stark vom Thema ab, und die Selbstbezeichnung wird von Menschen, die dieses Medium häufiger konsumieren, durchaus in Frage gestellt. Ich höre dennoch gerne BR24, vor allem beim Autofahren. Dabei versuche ich, so gut es geht sicherzustellen, dass Inhalte und die Form ihrer Darreichung keine negativen Auswirkungen auf meinen Fahrstil haben. Das ist nicht einfach.
Das Erste, was ich vergangenen Mittwoch hörte, als ich den Motor anließ, war Ministerpräsident Markus Söder mit den Worten: „Das hat nur Bayern!“ Sofort wurde ich hellhörig und innerlich angespannt: Was genau? Ein eigenes Raumfahrtprogramm für 700 Millionen Euro? Eine zweite S-Bahn-Stammstrecke in München, die Milliarden verschlingt und nicht fertig wird? Eine provisorische (!) Spielstätte des Nürnberger Staatstheaters für schlappe 300 Millionen Euro, während hunderte Beschäftigte am Klinikum Nürnberg mit Wissen der Stadtspitze illegal falsch eingruppiert werden, um Kosten zu sparen? Ein Uniklinikum in Erlangen, das gegen den Streik an seinem outgesourcten Servicebetrieb die Unionbusting-Agentur Schreiner und Partner engagiert? Den bayerischen Kampf gegen den „Gender-Wahnsinn“, der höchst-ministeriell das Verwenden einer genderneutralen Sprache an Schulen, Hochschulen und in der öffentlichen Verwaltung untersagt? Oder brüstete Söder sich mal wieder öffentlich mit seinen zutiefst freundschaftlichen Beziehungen zur rechts-faschistischen italienischen Regierungschefin Meloni? Allein die Länge der Liste möglicher Alleinstellungsmerkmale Bayerns ließ mich frustriert den Kopf schütteln. Auswanderung kam mir in den Sinn – oder zumindest die Frage der fränkischen Unabhängigkeit. Dann aber fiel mir Söders fränkische Herkunft wieder ein, während er im Radio konkreter wurde: „Heute haben wir im Landtag das ‚Gesetz zur Förderung der Bundeswehr‘ verabschiedet.“
BR24 erklärt mir, dass das Gesetz mit bayerischem Alleinstellungsmerkmal zusammen mit einer Änderung des Polizeiaufgabengesetzes beschlossen wurde. Außerdem erfahre ich, dass der Wehrpolitische Sprecher der CSU in Richtung der Gewerkschaft GEW, „die das Gesetz kritisch sieht“, den Vorwurf erhebt: „Sie wollen Frieden schaffen ohne Waffen!“ Mehr erfahre ich von meinem „Inforadio“ nicht.
Das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ verpflichtet Hochschulen künftig zur Kooperation mit der Bundeswehr und zur Rüstungsforschung. Zivilklauseln, von denen es an bayerischen Universitäten keine gibt, werden vorsorglich verboten. Der Zugriff der Bundeswehr auf Schulen und damit auch auf Minderjährige, ganz bewusst auch zur Rekrutierung, wird vorgeschrieben. Die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag stimmt dem Gesetz zu und verweist auf ihren allseits beliebten Wehrminister Pistorius. Zur gleichen Zeit wird Genossinnen und Genossen des Palästina-Soli-Camps in Erlangen strafrechtliche Verfolgung angedroht, weil sie Kanzler Scholz mit dem Wort „Kriegstreiber“ im Sprechchor empfingen. Eine Einschätzung, die zwar der Wahrheit entspricht, aber in diesem Bundesland nach herrschender Meinung nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein soll. Das verschärfte Polizeiaufgabengesetz sieht nun nicht nur Präventivhaft und eine massiv ausgeweitete Datenspeicherung vor, sondern auch die verschärfte Möglichkeit von Platzverweisen bei der „Behinderung von Polizeimaßnahmen“.
Mir bleibt ein Lichtblick, nämlich die gemeinsame Veranstaltung der GEW und des ver.di-Fachbereichs C in Mittelfranken gegen das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ mit über 50 Teilnehmenden. Noch sind wir viel zu wenige, aber irgendwo muss Information und Aufklärung, die über das Niveau des Bayerischen Rundfunks hinausgeht, ja anfangen.