Am „olympischen Gipfel“ treiben Wolken. Zwar mühte sich IOC-Präsident Thomas Bach der Öffentlichkeit Schönwetter einzureden, doch ist ihm das nicht restlos gelungen und er hatte es auch denkbar schwer.
Der Sachverhalt: Es gehört im Grunde zu den Pflichten des IOC-Präsidenten an der Eröffnung der Paralympics-Spiele teilzunehmen, aber statt seiner saß Sam Ramsany in Rio de Janeiro auf seinem Stuhl. Das Motiv Bachs für diesen Reise-Verzicht war zwar ehrenvoll, ließ aber manchen Zweifel aufkommen. Er hatte es vorgezogen an der Beisetzung des ehemaligen Bundespräsidenten Scheel in Berlin teilzunehmen und „begründete“ diesen Schritt mit der Tatsache, dass er mit Scheel eng befreundet gewesen war. Ob das seinen Schritt rechtfertigte warf viele Zweifel auf, Zweifel, die kaum von der Hand zu weisen waren.
Ramsany ist zwar im Internationalen Olympischen Komitee für die Paralaympics zuständig, doch bislang hatte der Präsident nie seinen „Stellvertreter“ entsandt. Bekanntlich hatte das Paralympic-Komitee einen bislang nicht praktizierten Schritt vollzogen, in dem es die komplette russische Mannschaft von den Spielen ausschloss. Die „Begründung“ lautete, in Russland sei maßlos gedopt worden. Diese Entscheidung war absurd: Niemand leugnet, dass in Russland gedopt worden war, doch nach den international gültigen Regeln muss sich ein Athlet nach seinem Start einer Dopingkontrolle unterziehen und hat das Recht – sollte das Ergebnis dieser Kontrolle „positiv“ gewesen sein – in Gegenwart von ihm nominierten Ärzten eine zweite Kontrolle durchführen zu lassen. Selbst wenn zwei oder drei „positive“ Ergebnisse vorliegen sollten, bietet keine Regel die Möglichkeit, eine ganze Mannschaft auszuschließen. Das geschah in diesem Fall – kein russischer Athlet durfte an den Paralympics teilnehmen. Eine Entscheidung, die politische Motive nicht nur ahnen ließ.
Um solchen Verdacht auszuräumen hätte der IOC-Präsident nur eine kurze und vor allem eindeutige Erklärung abzugeben brauchen. Zum Beispiel: „Meine Abwesenheit hat nichts mit der Entscheidung des Paralympic-Komitee, die Russen auszuschließen, zu tun!“ Aber Bach verlor kein Wort, sondern ließ einen anonymen „Sprecher“ erklären: Mein Schritt „hat nichts mit der Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees zum Ausschluss der russischen Mannschaft von den Paralympischen Spielen zu tun. Jegliche andere Interpretation ist unzulässig.“ Dieser Sprecher fügte dem noch hinzu: „Die Entscheidung, nicht an der Eröffnungsfeier teilzunehmen, war – wie schon aus dem zeitlichen Ablauf ersichtlich ist – alleine durch die Teilnahme am Staatsakt für den verstorbenen Bundespräsidenten Walter Scheel begründet. Das IPC ist vom IOC unabhängig, und seine Entscheidungen werden vom IOC und seinem Präsidenten voll respektiert.“
Noch einmal: Der Präsident verlegte wegen einer Beerdigung nicht seine Anreise zu den Paralympics, sondern blieb ihnen fern. Er erklärte diesen Schritt nicht der Öffentlichkeit, sondern schwieg. Dass diese Haltung den Verdacht aufkommen lassen musste, er hielt den Ausschluss Russlands für unolympisch, ließ sich nicht unterdrücken. Mit welcher Konsequenz dieses Panolympic-Komitee politisch operierte, erwies sich beim Einmarsch Weißrusslands. Einer der Fahnenträger trug die russische Flagge über seinem Haupt. Er wurde von der Polizei überwältigt und abgeführt. Auch dies eine Geste, wie sie die olympische Geschichte bislang nicht kannte! Der Ausschluss war komplett!
Es blieb und bleibt ein Rätsel: Hatte Bach die Beisetzung Scheels als Vorwand, genommen um den Ausschluss Russland nicht durch seine Anwesenheit zu legalisieren? Das spräche für ihn und vielleicht sollten wir das „Rätsel“ auf diese Weise in seinem Sinne zu lösen versuchen …