Zum grünen Herzen der Immobilienbranche

Das Geschäft mit dem Klima

Hendrik Böhner

Wir wollen mehr Verantwortung übernehmen.“ Diesen Satz kennen Sie sicherlich. Er ist einer der Lieblingssätze bürgerlicher Politiker in Wahlkampfzeiten. Er klingt seriös, anpackend und ist gleichzeitig herrlich nichtssagend. Drum wundert es wenig, dass ihn auch die Damen und Herren der Immobilienwirtschaft drauf haben. Verantwortung wofür, fragen Sie jetzt? Na, für die Zukunft und das Klima! Beides ist bekanntlich gut für uns alle und zudem ein äußerst einträgliches Geschäft.

Die oberste Immobilienlobby, der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), verkündet zum diesjährigen Tag der Immobilienwirtschaft den Slogan „Wir geben Leben Raum“ und diskutierte vorrangig die Umsetzung von Klima- und Nachhaltigkeitszielen. Bis 2050 soll ein „klimaneutraler Wohnungsbestand“ realisiert werden. Mehr Verantwortung übernehmen will auch Rolf Buch, Chef von Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia. Der kauft gerade die Nummer 2 der Branche, Deutsche Wohnen, auf. Der Mega-Konzern verkündete einen „Neuanfang“ und mimt den sozial-ökologischen Vorzeigebetrieb.

Das hat den regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seinen Finanzsenator so beeindruckt, dass sie die Pressekonferenz zur Verkündung der Übernahmepläne, die Berlin einiges kosten werden, gemeinsam mit den Konzernchefs abhielten. Die SPD fühlt sich halt immer noch am wohlsten, wenn sie Hand in Hand mit dem Kapital schreiten kann.

Aber worum geht es hierbei eigentlich? Letztlich geht es darum, wie alle gesellschaftlichen Prozesse der Kapitalverwertung untergeordnet werden können. Der Klimaschutz eignet sich dazu hervorragend. Das Interesse der Massen um die eigenen Lebensbedingungen und die ihrer Nachkommen wird zur Grundlage der Erschließung neuer Renditequellen. Klimaschutz ist ein gigantisches, auf mehrere Jahrzehnte projektiertes Investitionsfeld. Bündnis 90/Die Grünen leisten die politische Übersetzungsarbeit. Sie sind der Transmissionsriemen des „Green New Deal“. Sorry, SPD.

Der „Klimaschutz“ wird im Sinne der Investoren ausgestaltet. Die bereits seit den 1970er Jahren gültige Modernisierungsumlage ermöglicht dauerhafte Mieterhöhungen auf Basis der entstandenen Kosten. Wird ein Haus zum Beispiel gedämmt oder erhält es eine neue Heizung, bezahlen die Mieter nicht nur die Kosten, sie legen auch eine ordentliche Rendite obendrauf. Konzerne wie Vonovia haben darin längst den wesentlichen Mietentreiber entdeckt. Energetische Effizienz spielt dabei keine Rolle, Energieeinsparungen müssen zwar plausibel erscheinen, letztlich aber nicht einmal nachgewiesen werden.

Die Haltung der Immobilienlobby ist eindeutig: keine weiteren Vorgaben für Standards, aber bitte mehr staatliche Förderung. Klare Kante zeigte sie entsprechend in der Frage der CO2-Bepreisung. Das ohnehin mehr als fragwürdige Instrument trifft im Mietwohnungsbereich auf den Umstand, dass die Mieter an dem energetischen Zustand des Gebäudes oder der eingebauten Heizung gar nichts ändern können. Die Forderung von Mieterbund und Co. lautete daher, die Kosten den Vermietern aufzuerlegen. Kurzfristig stellte die Bundesregierung immerhin eine 50/50-Regelung in Aussicht, die die CDU-Bundestagsfraktion aber zu verhindern wusste. Die Immobilienlobby hatte sie mit Mieterbeschimpfung überzeugt: Wenn die nämlich die CO2-Abgabe nicht zu zahlen hätten, heizten sie einfach blindlings, nur um dem Vermieter zu schaden.

Wenn es allerdings um die seit 1990 eingesparten 90 Millionen Tonnen CO2 geht, dann war das selbstredend der Klimafreundlichkeit der Immobilienwirtschaft geschuldet. Sie sehen: Das Kapital übernimmt Verantwortung für unsere Zukunft, während wir hausen, als gäbe es kein Morgen.

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"Das Geschäft mit dem Klima", UZ vom 2. Juli 2021



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