Der deutsche Bauernkrieg – Teil 5: Klassenkämpfe 1500 bis 1524 • Von Friedrich Engels

Das Fass läuft über

Vor 500 Jahren erhoben sich die Bauern in Deutschland. Aus diesem Anlass drucken wir in UZ Friedrich Engels’ Werk „Der deutsche Bauernkrieg“ in Auszügen ab. In den bisherigen Teilen ging es um die soziale Lage und die daraus entstehenden Klassenkämpfe zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Durch die Entwicklung der Produktivkräfte hatte sich das feudalistische System ökonomisch überlebt. Fürsten und katholische Kirche vermehrten ihren Reichtum zulasten der gesamten Gesellschaft, besonders der Bauern. Die Rolle der Städte und der dortigen Produktion gewann immer mehr Bedeutung. Dort bildete sich eine Oberschicht, die zunehmend Macht erlangte. Sie geriet vor allem mit der Kirchenhierarchie in Konflikt, deren Macht die aufstrebende Bourgeoisie einschränken wollte. Für die Bauern und die städtischen Unterschichten, die Plebejer, war durch den Übergang der politischen Macht von einer herrschenden Klasse an eine neue nichts zu gewinnen. Ideologisch konnten die gesellschaftlichen Widersprüche nicht anders als religiös verarbeitet werden: Die Bibel war die einzige zur Verfügung stehende weltanschauliche Grundlage. Die Klassenkämpfe erschienen als theologische Auseinandersetzungen zwischen dem Reformator Martin Luther und dem Revolutionär Thomas Müntzer. Luther stand für die Interessen der heranreifenden Bourgeoisie und stärkte vor allem die Macht der regionalen Fürsten. In Müntzers Wirken wuchs die frühbürgerliche Revolution über sich hinaus in eine soziale Revolution. Die Produktivkräfte waren allerdings noch nicht reif für die Gütergemeinschaft.

Nach dieser neuen Niederlage trat wieder eine längere scheinbare Stille in den Klassenkämpfen ein. Aber unter der Hand wurde fortgearbeitet. In Schwaben bildete sich, offenbar in Verbindung mit den zersprengten Mitgliedern des Bundschuhs, schon in den ersten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts der Arme Konrad; im Schwarzwald bestand der Bundschuh in einzelnen kleineren Kreisen fort, bis es nach zehn Jahren einem energischen Bauernchef gelang, die einzelnen Fäden wieder zu einer großen Verschwörung zusammenzuknüpfen. Beide Verschwörungen traten kurz nacheinander in die Öffentlichkeit und fallen in die bewegten Jahre 1513 bis 1515, in denen gleichzeitig die Schweizer, ungarischen und slowenischen Bauern eine Reihe von bedeutenden Insurrektionen machen.

Der Wiederhersteller des oberrheinischen Bundschuhs war Joss Fritz aus Untergrombach, Flüchtling von der Verschwörung von 1502, ein ehemaliger Soldat und ein in jeder Beziehung hervorragender Charakter. Er hatte sich seit seiner Flucht zwischen Bodensee und Schwarzwald an verschiedenen Orten aufgehalten und sich schließlich in Lehen bei Freiburg im Breisgau niedergelassen, wo er sogar Bannwart geworden war. Wie er von hier aus die Verbindung reorganisierte, wie geschickt er die verschiedenartigsten Leute hineinzubringen wusste, darüber enthalten die Untersuchungsakten die interessantesten Details. Es gelang dem diplomatischen Talent und der unermüdlichen Ausdauer dieses Musterkonspirateurs, eine ungemeine Anzahl von Leuten der verschiedensten Klassen in den Bund zu verwickeln: Ritter, Pfaffen, Bürger, Plebejer und Bauern; und es scheint ziemlich sicher, dass er sogar mehrere, mehr oder minder scharf geschiedne Grade der Verschwörung organisierte. Alle brauchbaren Elemente wurden mit der größten Umsicht und Geschicklichkeit benutzt. Außer den eingeweihteren Emissären, die in den verschiedensten Verkleidungen das Land durchstreiften, wurden die Landstreicher und Bettler zu den untergeordneteren Missionen verwandt.

Armer Konrad

Gleichzeitig mit dem Bundschuh in Baden und offenbar in direkter Verbindung mit ihm hatte sich in Württemberg eine zweite Verschwörung gebildet. Sie bestand urkundlich schon seit 1503, und da der Name Bundschuh seit der Sprengung der Untergrombacher zu gefährlich wurde, nahm sie den des Armen Konrad an. Ihr Hauptsitz war das Remstal unterhalb des Hohenstaufenbergs. Ihre Existenz war wenigstens unter dem Volk schon lange kein Geheimnis mehr. Der schamlose Druck der Regierung Ulrichs und eine Reihe von Hungerjahren, die zum Ausbruch der Bewegungen von 1513 und 1514 mächtig beitrugen, hatten die Zahl der Verbündeten verstärkt; die neuaufgelegten Steuern auf Wein, Fleisch und Brot sowie eine Kapitalsteuer von einem Pfennig jährlich für jeden Gulden provozierten den Ausbruch. Die Stadt Schorndorf, wo die Häupter des Komplotts in des Messerschmieds Kaspar Pregizers Haus zusammenkamen, sollte zuerst genommen werden.

Im Frühjahr 1514 brach der Aufstand los. 3.000, nach andern 5.000 Bauern zogen vor die Stadt, wurden aber durch gütliche Versprechungen der herzoglichen Beamten wieder zum Abzug bewogen: Herzog Ulrich eilte herbei mit achtzig Reitern, nachdem er die Aufhebung der neuen Steuern zugesagt hatte, und fand infolge dieses Versprechens alles ruhig. Er versprach einen Landtag zu berufen, um dort alle Beschwerden untersuchen zu lassen. Aber die Chefs der Verbindung wussten sehr gut, dass Ulrich weiter nichts beabsichtige, als das Volk so lange ruhig zu halten, bis er hinreichende Truppen angeworben und zusammengezogen habe, um sein Wort brechen und die Steuern mit Gewalt eintreiben zu können. Sie ließen daher von Kaspar Pregizers Haus, „des Armen Konrads Kanzlei“, Aufforderungen zu einem Bundeskongress ausgehen, den Emissäre nach allen Richtungen hin unterstützten. Der Erfolg der ersten Erhebung im Remstal hatte die Bewegung unter dem Volk überall gehoben; die Schreiben und Emissäre fanden überall ein günstiges Terrain vor, und so wurde der am 28. Mai in Untertürkheim abgehaltene Kongress zahlreich von allen Teilen Württembergs beschickt. Es wurde beschlossen, schleunig fortzuagitieren und bei der ersten Gelegenheit im Remstal loszuschlagen, um von hier aus den Aufstand weiterzuverbreiten. Während Bantelhans von Dettingen, ein ehemaliger Soldat, und Singerhans von Würtingen, ein angesehener Bauer, die Schwäbische Alb in den Bund brachten, brach schon von allen Seiten der Aufstand los. Singerhans wurde zwar überfallen und gefangen, aber die Städte Backnang, Winnenden, Markgröningen fielen in die Hände der mit den Plebejern verbündeten Bauern, und das ganze Land von Weinsberg bis Blaubeuren und von dort bis an die badische Grenze war in offener Insurrektion; Ulrich musste nachgeben. Während er aber den Landtag auf den 25. Juni einberief, schrieb er zu gleicher Zeit an die umliegenden Fürsten und freien Städte um Hülfe gegen den Aufstand, der alle Fürsten, Obrigkeit und Ehrbarkeit im Reich gefährde und „ein seltsam bundschühlich Ansehn habe“.

Überrumpelt

Inzwischen kam der Landtag, das heißt die Abgeordneten der Städte und viele Delegierte der Bauern, die ebenfalls Sitz auf dem Landtag verlangten, schon am 18. Juni in Stuttgart zusammen. Die Prälaten waren noch nicht da, die Ritter waren gar nicht eingeladen. Die Stuttgarter städtische Opposition sowie zwei nahe, drohende Bauernhaufen, zu Leonberg und im Remstal, unterstützten die Forderungen der Bauern. Ihre Delegierten wurden zugelassen, und man beschloss, die drei verhassten Räte des Herzogs, Lamparter, Thumb und Lorcher, abzusetzen und zu bestrafen, einen Rat von vier Rittern, vier Bürgern und vier Bauern dem Herzog beizugeben, ihm eine fixe Zivilliste zu bewilligen und die Klöster und Stifte zum Besten des Staatsschatzes zu konfiszieren.

Herzog Ulrich setzte diesen revolutionären Beschlüssen einen Staatsstreich entgegen. Er ritt am 21. Juni mit seinen Rittern und Räten nach Tübingen, wohin ihm die Prälaten folgten, befahl der Bürgerschaft, ebenfalls dorthin zu kommen, was auch geschah, und setzte hier den Landtag ohne die Bauern fort. Hier verrieten die Bürger, unter den militärischen Terrorismus gestellt, ihre Bundesgenossen, die Bauern. Am 8. Juli kam der Tübinger Vertrag zustande, der dem Lande beinahe eine Million herzoglicher Schulden, dem Herzog einige Beschränkungen auflegte, die er nie einhielt, und die Bauern mit einigen dünnen allgemeinen Redensarten und einem sehr positiven Strafgesetz gegen Aufruhr und Verbindungen abspeiste. Von Vertretung der Bauern auf dem Landtag war natürlich keine Rede mehr. Das Landvolk schrie über Verrat; aber da der Herzog, seit der Übernahme seiner Schulden durch die Stände, wieder Kredit hatte, so brachte er bald Truppen zusammen, und auch seine Nachbarn, besonders der Kurfürst von der Pfalz, schickten Hülfstruppen. So wurde bis Ende Juli der Tübinger Vertrag vom ganzen Lande angenommen und die neue Huldigung geleistet. Nur im Remstal leistete der Arme Konrad Widerstand; der Herzog, der wieder selbst hinritt, wurde fast ermordet und ein Bauernlager auf dem Kappelberg gebildet. Aber als die Sache sich in die Länge zog, verliefen sich die meisten Insurgenten wieder aus Mangel an Lebensmitteln, und der Rest ging infolge eines zweideutigen Vertrags mit einigen Landtagsabgeordneten ebenfalls heim. Ulrich, dessen Heer inzwischen noch durch die bereitwillig gestellten Fähnlein der Städte verstärkt wurde, die sich jetzt nach Erlangung ihrer Forderungen fanatisch gegen die Bauern kehrten, Ulrich überfiel jetzt trotz des Vertrags das Remstal, dessen Städte und Dörfer geplündert wurden. 1.600 Bauern wurden verhaftet, davon 16 sofort enthauptet, die übrigen meist zu schweren Geldstrafen zum Besten von Ulrichs Kasse verurteilt. Viele blieben lange im Gefängnis. Gegen die Erneuerung der Verbindung, gegen alle Versammlungen der Bauern wurden strenge Strafgesetze erlassen, und der schwäbische Adel schloss einen speziellen Bund zur Unterdrückung aller Aufstandsversuche. – Die Hauptführer des Armen Konrad waren indes glücklich nach der Schweiz entkommen und kamen von dort nach einigen Jahren meist einzeln wieder nach Hause.

Joss Fritz

Gleichzeitig mit der württembergischen Bewegung zeigten sich Symptome neuer Bundschuhumtriebe im Breisgau und in der Markgrafschaft Baden. Bei Bühl wurde im Juni ein Versuch zum Aufstand gemacht, aber vom Markgrafen Philipp gleich gesprengt und der Führer Gugel-Bastian in Freiburg verhaftet und enthauptet.

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In demselben Jahre 1514, ebenfalls im Frühjahr, kam in Ungarn ein allgemeiner Bauernkrieg zum Ausbruch.

Der Bauernaufstand in der „windischen Mark“, das heißt in Kärnten, Kram und Steiermark, der um dieselbe Zeit losbrach, beruhte auf einer bundschuhartigen Verschwörung, die sich in dieser von Adel und kaiserlichen Beamten ausgesognen, von Türkeneinfällen verheerten und von Hungersnot geplagten Gegend schon 1503 gebildet und einen Aufstand hervorgerufen hatte.

Und 1517 war der Bundschuh im Schwarzwald wieder in vollem Gange. Joss Fritz selbst durchstreifte den Schwarzwald wieder und entwickelte große Tätigkeit. Die Verschwörung organisierte sich aufs Neue. Aber das Geheimnis wurde nicht gehalten, die Regierungen erfuhren die Sache und schritten ein. Mehrere wurden gefangen und hingerichtet; die tätigsten und intelligentesten Mitglieder mussten fliehen, unter ihnen Joss Fritz, dessen man auch diesmal nicht habhaft wurde, der aber bald darauf in der Schweiz gestorben zu sein scheint, da er von jetzt an nirgends mehr genannt wird.

Bewegungsimpuls

Um dieselbe Zeit, wo im Schwarzwald die vierte Bundschuhverschwörung unterdrückt wurde, gab Luther in Wittenberg das Signal zu der Bewegung, die alle Stände mit in den Strudel reißen und das ganze Reich erschüttern sollte. Die Thesen des thüringischen Augustiners zündeten wie ein Blitz in ein Pulverfass. Die mannigfaltig durcheinanderkreuzenden Bestrebungen der Ritter wie der Bürger, der Bauern wie der Plebejer, der souveränitätssüchtigen Fürsten wie der niederen Geistlichkeit, der mystizisierenden verborgenen Sekten wie der gelehrten und satirisch-burlesken Schriftstelleropposition erhielten in ihnen einen zunächst gemeinsamen allgemeinen Ausdruck, um den sie sich mit überraschender Schnelligkeit gruppierten. Diese über Nacht gebildete Allianz aller Oppositionselemente, so kurz ihre Dauer war, enthüllte plötzlich die ungeheure Macht der Bewegung und trieb sie um so rascher voran.

Aber eben diese rasche Entwicklung der Bewegung musste auch sehr bald die Keime des Zwiespalts entwickeln, die in ihr lagen, musste wenigstens die durch ihre ganze Lebensstellung direkt einander entgegenstehenden Bestandteile der erregten Masse wieder voneinander reißen und in ihre normale feindliche Stellung bringen. Diese Polarisation der bunten Oppositionsmasse um zwei Attraktionszentren trat schon in den ersten Jahren der Reformation hervor; Adel und Bürger gruppierten sich unbedingt um Luther; Bauern und Plebejer, ohne schon in Luther einen direkten Feind zu sehen, bildeten wie früher eine besondere, revolutionäre Oppositionspartei. Nur dass die Bewegung jetzt viel allgemeiner, viel tiefer greifend war als vor Luther, und dass damit die Notwendigkeit des scharf ausgesprochenen Gegensatzes, der direkten Bekämpfung beider Parteien untereinander gegeben war. Dieser direkte Gegensatz trat bald ein; Luther und Müntzer bekämpften sich in der Presse und auf der Kanzel, wie die größtenteils aus lutherischen oder wenigstens zum Luthertum hinneigenden Kräften bestehenden Heere der Fürsten, Ritter und Städte die Haufen der Bauern und Plebejer zersprengten.

Adelsaufstand

Wie sehr die Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Elemente, die die Reformation angenommen, auseinandergingen, zeigt schon vor dem Bauernkrieg der Versuch des Adels, seine Forderungen gegenüber den Fürsten und Pfaffen durchzusetzen.

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Im Februar 1524 weissagt Leonhard Rynman großes Unglück: Die Sünden der Menschheit würden durch eine bestimmte Planetenkonstellation im Tierkreiszeichen Fische die „Erhebung der Gemeinen“ verursachen.

Wir haben schon oben gesehen, welche Stellung der deutsche Adel im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts einnahm. Er war im Begriff, seine Unabhängigkeit an die immer mächtiger werdenden weltlichen und geistlichen Fürsten zu verlieren. Er sah zu gleicher Zeit, in demselben Maß wie er sank, auch die Reichsgewalt sinken und das Reich sich in eine Anzahl souveräner Fürstentümer auflösen. Sein Untergang musste für ihn mit dem Untergang der Deutschen als Nation zusammenfallen. Dazu kam, dass der Adel, besonders der reichsunmittelbare Adel, derjenige Stand war, der sowohl durch seinen militärischen Beruf wie durch seine Stellung gegenüber den Fürsten das Reich und die Reichsgewalt besonders vertrat. Er war der nationalste Stand, und je mächtiger die Reichsgewalt, je schwächer und je weniger zahlreich die Fürsten, je einiger Deutschland, desto mächtiger war er. Daher der allgemeine Unwille der Ritterschaft über die erbärmliche politische Stellung Deutschlands, über die Ohnmacht des Reichs nach außen, die in demselben Maße zunahm, als das Kaiserhaus durch Erbschaft eine Provinz nach der andern an das Reich anhing; über die Intrigen fremder Mächte im Innern Deutschlands und die Komplotte deutscher Fürsten mit dem Ausland gegen die Reichsgewalt. Die Forderungen des Adels mussten sich also vor allem in der Forderung einer Reichsreform zusammenfassen, deren Opfer die Fürsten und die höhere Geistlichkeit werden sollten. Diese Zusammenfassung übernahm Ulrich von Hutten, der theoretische Repräsentant des deutschen Adels, in Gemeinschaft mit Franz von Sickingen, seinem militärischen und staatsmännischen Repräsentanten.

Hutten hat seine im Namen des Adels geforderte Reichsreform sehr bestimmt ausgesprochen und sehr radikal gefasst. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die Beseitigung sämtlicher Fürsten, die Säkularisation sämtlicher geistlichen Fürstentümer und Güter, um die Herstellung einer Adelsdemokratie mit monarchischer Spitze. Durch die Herstellung der Herrschaft des Adels, der vorzugsweise militärischen Klasse, durch die Entfernung der Fürsten, der Träger der Zersplitterung, durch die Vernichtung der Macht der Pfaffen und durch die Losreißung Deutschlands von der geistlichen Herrschaft Roms glaubten Hutten und Sickingen, das Reich wieder einig, frei und mächtig zu machen.

Nicht bündnisfähig

Der Adel allein war nicht mächtig genug, das Unternehmen durchzusetzen, das bewies seine wachsende Schwäche gegenüber den Fürsten. Man musste Bundesgenossen haben, und die einzig möglichen waren die Städte, die Bauern und die einflussreichen Theoretiker der Reformationsbewegung. Aber die Städte kannten den Adel hinreichend, um ihm nicht zu trauen und jedes Bündnis mit ihm zurückzuweisen. Die Bauern sahen im Adel, der sie aussog und misshandelte, mit vollem Recht ihren bittersten Feind. Und die Theoretiker hielten es entweder mit den Bürgern, Fürsten oder den Bauern. Was sollte auch der Adel den Bürgern und Bauern Positives versprechen von einer Reichsreform, deren Hauptzweck immer die Hebung des Adels war? Unter diesen Umständen blieb Hutten nichts übrig, als in seinen Propagandaschriften über die künftige gegenseitige Stellung des Adels, der Städte und der Bauern wenig oder gar nichts zu sagen, alles Übel auf die Fürsten und Pfaffen und die Abhängigkeit von Rom zu schieben und den Bürgern nachzuweisen, dass ihr Interesse ihnen gebiete, im bevorstehenden Kampf zwischen Fürsten und Adel sich mindestens neutral zu halten. Von Aufhebung der Leibeigenschaft und der Lasten, die der Bauer dem Adel schuldig war, ist bei Hutten nirgends die Rede.

Nur die gänzliche Beseitigung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, das Aufgeben aller Adelsprivilegien hätte das Landvolk mit dem Adel vereinigen können; aber der Adel, wie jeder privilegierte Stand, hatte nicht die geringste Lust, seine Vorrechte, seine ganze exzeptionelle Stellung und den größten Teil seiner Einkommenquellen freiwillig aufzugeben.

Der Adel stand also schließlich, als es zum Kampfe kam, den Fürsten allein gegenüber. Dass die Fürsten, die ihm seit zwei Jahrhunderten fortwährend Terrain abgewonnen, ihn auch diesmal mit leichter Mühe erdrücken mussten, war vorherzusehen.

Mit dieser Niederlage und dem Tod der beiden Führer war die Macht des Adels als einer von den Fürsten unabhängigen Körperschaft gebrochen. Von jetzt an tritt der Adel nur noch im Dienst und unter der Leitung der Fürsten auf. Der Bauernkrieg, der gleich darauf ausbrach, zwang ihn noch mehr, sich direkt oder indirekt unter den Schutz der Fürsten zu stellen, und bewies zu gleicher Zeit, dass der deutsche Adel es vorzog, lieber unter fürstlicher Oberhoheit die Bauern fernerhin zu exploitieren, als die Fürsten und Pfaffen durch ein offenes Bündnis mit den emanzipierten Bauern zu stürzen.

Der Bauernkrieg beginnt

Von dem Augenblick an, wo Luthers Kriegserklärung gegen die katholische Hierarchie alle Oppositionselemente Deutschlands in Bewegung gesetzt, verging kein Jahr, in dem nicht die Bauern ebenfalls wieder mit ihren Forderungen hervortraten. Von 1518 bis 1523 folgte ein lokaler Bauernaufstand im Schwarzwald und in Oberschwaben auf den anderen. Seit Frühjahr 1524 nahmen diese Aufstände einen systematischen Charakter an. Im April dieses Jahres verweigerten die Bauern der Abtei Marchthal die Frondienste und Leistungen; im Mai verweigerten die Sankt-Blasier Bauern die Leibeigenschaftsgebühren; im Juni erklärten die Bauern von Steinheim bei Memmingen, weder Zehnten noch sonstige Gebühren zahlen zu wollen; im Juli und August standen die Thurgauer Bauern auf und wurden teils durch die Vermittlung der Zürcher, teils durch die Brutalität der Eidgenossenschaft, die mehrere hinrichten ließ, wieder zur Ruhe gebracht. Endlich erfolgte in der Landgrafschaft Stühlingen ein entschiedenerer Aufstand, der als der unmittelbare Anfang des Bauernkriegs gelten kann.

Die Stühlinger Bauern verweigerten plötzlich die Leistungen an den Landgrafen, rotteten sich in starken Haufen zusammen und zogen unter Hans Müller von Bulgenbach am 24. August 1524 nach Waldshut. Hier stifteten sie in Gemeinschaft mit den Bürgern eine evangelische Brüderschaft. Die Bürger traten der Verbindung um so eher bei, als sie gleichzeitig wegen religiöser Verfolgungen gegen Balthasar Hubmaier, ihren Prediger, einen Freund und Schüler Thomas Müntzers, mit der vorderösterreichischen Regierung im Konflikt waren. Es wurde also eine Bundessteuer von drei Kreuzern wöchentlich – ein enormer Betrag für den damaligen Geldwert – aufgelegt, Emissäre nach dem Elsass, der Mosel, dem ganzen Oberrhein und Franken geschickt, um die Bauern überall in den Bund zu bringen, und als Zweck des Bundes die Abschaffung der Feudalherrschaft, die Zerstörung aller Schlösser und Klöster und die Beseitigung aller Herren außer dem Kaiser proklamiert. Die Bundesfahne war die deutsche Trikolore.

Wie ein Lauffeuer

Der Aufstand gewann rasch Terrain im ganzen jetzigen badischen Oberland. Ein panischer Schrecken ergriff den oberschwäbischen Adel, dessen Streitkräfte fast sämtlich in Italien beschäftigt waren. Es blieb ihm nichts übrig, als die Sache durch Unterhandlungen in die Länge zu ziehen und inzwischen Gelder aufzutreiben und Truppen zu werben, bis er stark genug sei, die Bauern für ihre Vermessenheit mit „Sengen und Brennen, Plündern und Morden“ zu züchtigen. Von jetzt an begann jener systematische Verrat, jene konsequente Wortbrüchigkeit und Heimtücke, durch die der Adel und die Fürsten sich während des ganzen Bauernkriegs auszeichneten und die gegenüber den dezentralisierten und schwer organisierbaren Bauern ihre stärkste Waffe war. Der Schwäbische Bund, der die Fürsten, den Adel und die Reichsstädte Südwestdeutschlands umfasste, legte sich ins Mittel, aber ohne den Bauern positive Konzessionen zu garantieren. Diese blieben in Bewegung. Hans Müller von Bulgenbach zog vom 30. September bis Mitte Oktober durch den Schwarzwald bis Urach und Furtwangen, brachte seinen Haufen bis auf 3.500 Mann und nahm mit diesem bei Ewattingen (nicht weit von Stühlingen) Position. Der Adel hatte nicht über 1.700 Mann zur Verfügung, und auch diese waren zersplittert. Er war gezwungen, sich auf einen Waffenstillstand einzulassen, der auch wirklich im Ewattinger Lager zustande kam. Gütlicher Vertrag, entweder direkt zwischen den Beteiligten oder durch Schiedsrichter, und Untersuchung der Beschwerden durch das Landgericht zu Stockach wurden den Bauern zugesagt. Sowohl die Adelstruppen wie die Bauern gingen auseinander.

Worterklärungen

Insurrektionen: Aufstände
Bannwart: Waldhüter
Emissär: Bote mit geheimem Auftrag
Prälat: Inhaber eines hohen Kirchenamts
Fähnlein: Militärische Formation mit etwa 400 Landsknechten
Reichsunmittelbarer Adel: Adelige, die direkt dem Kaiser unterstanden
Säkularisation: Trennung von Staat und Kirche, hier im Sinne der Übertragung kirchlichen Eigentums in staatliches
Exploitieren: ausbeuten
Frondienst: Unentgeltliche Arbeit der leibeigenen Bauern für ihren Grundherrn
Zehnt: 10 Prozent der Ernte für die Kirche
Bundessteuer: Abgaben der Mitglieder an den Geheimbund

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"Das Fass läuft über", UZ vom 31. Januar 2025



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