Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
ich weiß, dass es zu jedem Begrüßungsritual bei solchen Zusammenkünften gehört, sich für die Einladung zu bedanken. Mit diesem Ritual möchte ich keineswegs brechen, ganz im Gegenteil – ich möchte dazu aber etwas weiter ausholen: Wir alle haben im Rahmen der Pandemiebekämpfung erleben müssen und erleben bis heute, wie massiv in unsere Lebensverhältnisse eingriffen wird. Ich persönlich habe das auf vielfache Art und Weise zu spüren bekommen. Meine Frau und ich mussten monatelang unsere Kinder betreuen; ich beziehe bis heute Kurzarbeitergeld und habe mittlerweile Lohnausfälle im vierstelligen Bereich; aber vor allem: Ich habe bemerkt, an anderen Genossen und mir selbst, wie mir politische und kulturelle Zusammenkünfte wie diese fehlen. Zusammenkünfte wie heute sind gerade in diesen Zeiten enorm wichtig für jeden Einzelnen von uns, um Kraft und Zuversicht zu schöpfen – und in diesem Sinne möchte ich mich recht herzlich für Eure Einladung bedanken.
Wir dürften uns wohl einig sein: Uns stehen Zeiten bevor hierzulande, in denen wir unsere ganze ganz Kraft brauchen werden. Denn während Länder wie die Volksrepublik China zeigen, was es heißt, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, müssen wir in Deutschland erleben, dass nicht ein tatsächlich ernstzunehmendes Virus die Hauptgefahr ist, sondern eine Bundesregierung, die eine Pandemiebekämpfung vortäuscht, um in ihrem Windschatten die Lasten einer sich lange angekündigten Krise auf die werktätige Bevölkerung abzuschieben – und zwar während eine Minderheit von Superreichen nicht nur verschont, sondern ihre Herrschaft auch noch mit hunderten Millionen Euro gesichert wird. Wir dürfen uns auf keinen Fall einlullen lassen: Das Coronavirus ernst zu nehmen, kann nicht heißen, von dieser Bundesregierung beziehungsweise ihrem Gesundheitsminister – ein Mann vom Fach: ein gelernter Bankkaufmann – ernsthaft den Schutz der Gesundheit zu erwarten. Spahn hatte noch vor wenigen Monaten die radikale Schließung von Krankenhäusern gefordert. Und nebenbei: Der Schutz der Gesundheit kann auch nicht ernsthaft von Protagonisten einer selbsternannten Opposition oder womöglich von der „Alternative für Deutschland“ erwartet werden. Bei ihren Protesten gegen die Pandemiebekämpfung der Bundesregierung sind sie sich mit der Merkel-Regierung sehr einig darin, gegen die DDR zu hetzen – den einzigen deutschen Staat, in dem der Schutz der Gesundheit Verfassungsrang hatte – ganz im Gegensatz zum Grundgesetz der BRD. Dieses humanistische Erbe der DDR zu verteidigen, das dürfen wir uns nicht nehmen lassen und in diesem Sinne fasse ich auch unsere heutige Zusammenkunft auf.
Liebe Freunde,
wie ihr wisst, traten hier am 28. Juni vor genau 79 Jahren etwa 50 Antifaschisten zur Beratung zusammen. Wenige Wochen zuvor – am 22. Juni – war der Kampf gegen die Weltherrschaftspläne der Faschisten mit dem Überfall auf die Sowjetunion in seine entscheidende Phase getreten. Die faschistische Wehrmacht galt bis dahin im Kriegsverlauf als unbesiegbar und auch in der Sowjetunion befand sie sich scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Davon unbeirrt erläutere der Leiter der antifaschistischen Widerstandsgruppe aus Berlin, Josef „Beppo“ Römer, den Anwesenden, dass der Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion trotz aller Erfolge in einer Niederlage enden werde.
Beppo sollte Recht behalten: Die Sowjetunion besiegte die faschistische Wehrmacht und befreite Europa und Deutschland vom Faschismus. Beppos weitsichtige Einschätzung offenbarte unter Berücksichtigung der damaligen Situation nicht seine militärischen Kenntnisse, über die er zweifelsohne als Kriegsveteran des Ersten Weltkrieges und Freikorpssoldat verfügte, bis er seinen Weg in die KPD fand. Mit dabei war bei dieser Einschätzung sicherlich auch eine Portion historischer Optimismus, dass die Faschisten in diesem Krieg gegen den Arbeiter- und Bauernstaat nicht das letzte Wort haben dürfen.
Was aber vor 79 Jahren noch eine geradezu prophetische Einschätzung war, ist heute ein unwiderlegbarer historischer Fakt: Die Sowjetunion war die Hauptkraft beim Sieg über den Faschismus. Umso unverständlicher ist, wie diese historische Wahrheit im Zuge des 75. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus verdreht und geleugnet wurde. Da verbreitet „Spiegel-Online“ die Lüge – neudeutsch „Fake-News“ – die US-Army habe das KZ Auschwitz befreit. Da behauptet die Springerpresse, Nazi-Deutschland habe halb Europa nur mit der Unterstützung der sowjetischen Regierung unterwerfen können und das EU-Parlament bestätigt diesen Geschichtsrevisionismus in ihren Beschlüssen. Und ausgerechnet am 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus „vergisst“ ein deutscher Staatspräsident mit SPD-Parteibuch in der Tasche die Sowjetunion als Faktor bei der Befreiung vom Faschismus in seiner Rede auch nur zu erwähnen. Und wir reden hier über ein Land, das für seine eigene Befreiung und die Befreiung Europas von der faschistischen Herrschaft das Leben von 25 Millionen Menschen opfern musste.
Wir müssen uns 75 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus meines Erachtens die Frage stellen: Was ist die Triebkraft für diese Geschichtsverdrehung und die politische Demenz des deutschen Staatspräsidenten? Ich möchte an dieser Stelle zwei Punkte anführen:
Die Diskreditierung der Sowjetunion im antifaschistischen Kampf soll und muss verschleiern, dass der Zweite Weltkrieg nicht einfach nur ein Krieg zwischen Nationen war, sondern – wenn auch ausgetragen als Krieg zwischen Nationen – in seinem Wesen ein Kampf zwischen Klassen war. Ein Klassenkampf der mit dem Sieg des ersten Arbeiter- und Bauernstaates über einen Staat in den Händen der am meisten chauvinistischen und aggressivsten Kräfte der Monopolbourgeoisie endete. Ein Sieg, der in der Sowjetischen Besatzungszone in einer Entmachtung dieser herrschenden Klasse mündete, im Rahmen einer antifaschistisch-demokratischen Umwälzung, während die herrschende Klasse im Westen Deutschlands vor allem durch die US-Imperialisten gerettet und in Stellung gebracht wurden gegen das sozialistische Lager in Osteuropa.
Die Diskreditierung der Leistungen der Sowjetunion im antifaschistischen Kampf hat das Ziel, die heutige Russische Föderation als Erbe der Sowjetunion anzugehen. Das Gedächtnis an die große Friedensleistung in der Geschichte dieses Landes soll ausradiert werden. Alles muss darauf getrimmt sein, Russland als Feindbild aufzubauen und als Aggressor darzustellen. Da passt es nicht in das Bild, dass der Wunsch nach Frieden, nach den großen Opfern des Zweiten Weltkrieges, ungebrochen und tief verwurzelt im russischen Volk ist. Da passt es den Herrschenden und ihrer NATO natürlich nicht, dass insbesondere die Menschen im Osten Deutschlands ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland als selbstverständlich und wünschenswert betrachten. Deshalb werden diese Haltungen unter der ostdeutschen Bevölkerung als „verordneter“ Antifaschismus denunziert, der durch eine staatlich verordnete Russlandhetze ersetzt werden soll.
Liebe Freunde,
so sehr es mich einerseits anekelt, wenn die Qualitätspresse oder Parteispitzen von CDU, SPD und Grünen mit Schaum vor dem Mund gegen Russland und jüngst auch verstärkt gegen China hetzen, so sehr verstehe ich ihre Nervosität: Sie drücken die Nervosität der herrschenden Klassen im Westen vor einem drohenden Paradigmenwechsel im Weltmaßstab aus, an dessen Ende das imperialistische Lager unter US-Führung seine Vorherrschaft verliert. Russland und China bilden zusammen eine Kraft, die in der Lage ist, dem Imperialismus Einheit zu gebieten. Die Zerschlagung Syriens ist misslungen, die Konterrevolution in Venezuela ist gescheitert, das sozialistische Kuba ist dank des wirtschaftlichen Schulterschlusses mit Russland und China nicht in die Knie zu zwingen. Gleichzeitig entwickelt die Volksrepublik China mit der neuen Seidenstraße ein friedliches Gegenmodell zur imperialistischen Globalisierung – und zwar auf Augenhöhe mit anderen Nationen, unter Achtung ihrer nationalen Souveränität und einem kooperativen Ansatz zum gegenseitigen Vorteil. Wir reden hier also über ein Gegenmodell zu IWF-Krediten mit Zwang zu Privatisierungen und Sozialabbau und imperialistischen Kriegen wie in Libyen, Afghanistan und Jugoslawien.
Bei der Ausarbeitung einer antifaschistischen Strategie war für die Antifaschisten, die hier vor 79 Jahren zusammenkamen, die Beurteilung der Frage von Krieg und Frieden ein entscheidendes Kriterium. Ich halte es dementsprechend auch heute für das Einmaleins einer antifaschistischen Strategieentwicklung, sich die Frage von Krieg und Frieden im gerade von mir anskizzierten Weltmaßstab zu vergegenwärtigen. Ich halte das auch deshalb für so ein außerordentlich wichtiges Kriterium, weil es uns Antifaschisten dazu befähigt, eine Spielart demagogischer Politik der Herrschenden zu durchschauen, die wir in den letzten drei Jahrzehnten in diesem Land beobachten konnten: Eine Demagogie, bei der im Namen des Antifaschismus die Interessen der aggressivsten Kräfte der Monopolbourgeoisie durchgesetzt werden. Seinen deutlichsten Ausdruck fand diese demagogische Politik in der Propaganda der rot-grünen Bundesregierung, den ersten deutschen Waffengang nach 1945 gegen Jugoslawien mit der Verhinderung eines zweiten Auschwitz zu rechtfertigen. Antifaschisten dürfen sich meines Erachtens nicht davon leiten lassen, was ihnen eine Bundesregierung und seine Institute und finanzierten NGOs als Antifaschismus präsentieren. Die Interessen der aggressivsten Kräfte der herrschenden Klasse auszumachen und ihre Pläne einer Kriegspolitik zu durchkreuzen – das war vor 79 Jahren und das bleibt heute eine Hauptaufgabe einer antifaschistischen Bewegung.
Was heißt das für heute? Das heißt zum Beispiel nüchtern festzustellen: Hauptgegner einer antifaschistischen Bewegung sind alle Kräfte, die auf die eine oder andere Art die NATO als ein wesentliches Instrument imperialistischer Kriegspolitik stärken – sei es durch Aufrüstung, sei es durch Beteiligungen der Bundeswehr an NATO-Kriegseinsätzen oder mittels medialer Massenmanipulation, um die bröckelnde Akzeptanz der NATO zu sichern. Das heißt weiterhin zum Beispiel: Die EU nicht als Friedensstifter in Europa zu verklären, sondern als Instrument vor allem in den Händen der deutschen Monopole, um andere europäische Länder in neokolonialistischer Art und Weise zu unterwerfen, ihre Volkswirtschaften zu zerstören und die Bevölkerung in eine bis dato als überwunden geltende Massenarmut und Massenmigration zu treiben. Und das heißt nicht zuletzt: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten als Kriegstreiber zu entlarven – sei es beim Ausbau Europas als Truppenaufmarschgebiet der NATO gegen Russland – oder sei es durch die Unterstützung des faschistischen Putsches in der Ukraine 2014.
Liebe Freunde,
wie wichtig es ist, sich als Antifaschisten diese Zusammenhänge vor Augen zu führen, erleben wir in den letzten zwei Wochen in Belarus. Ohne Beweise steht für die „westliche Wertegemeinschaft“ fest: Die belarussische Regierung habe massive Wahlfälschung betrieben. Polizeigewalt gegen Demonstranten, die es ohne Zweifel gab, wird angeführt, um gegen Lukaschenko als „letzten Diktator“ Europas zu wettern. Wenn Polizeigewalt dafür ein Kriterium ist, ein „Diktator“ zu sein, dann dürfte Lukaschenko meines Erachtens nicht der „letzte Diktator“ sein – er müsste sich den Titel zumindest mit dem französischen Staatspräsidenten teilen angesichts dessen Polizeigewalt bei der Zerschlagung der Gelbwesten-Bewegung. Doch worum geht es den EU-Oberen nun beim Aufschrei über die Situation in Belarus wirklich? Ein Blick auf das Programm der sogenannten Opposition, das ihre Präsidentschaftskandidatin zumindest zwischenzeitlich auf ihrer Internetseite veröffentlicht hatte, bringt Klarheit in die Sache: Belarus soll den Weg verlassen, den das Land im Gegensatz zu anderen ehemaligen sowjetischen Republiken vor einer Massenverelendung bewahrte. Es geht in dem Programm um die völlige Privatisierung der Wirtschaft und entscheidender Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, das sich in Belarus bis heute in vorherrschend in staatlicher Hand befindet. Diese Forderungen sind, egal wie sich die Protagonisten der sogenannten Opposition generieren, im Kern zutiefst undemokratisch. Es läuft auf eine Entmachtung des belarussischen Volkes hinaus und seine Unterwerfung unter die EU. Die Ergebnisse dessen können wir heute in der Ukraine sehen. Und um diesen quasi gemachten Tisch für finanzstarke Investoren des imperialistischen Auslands politisch abzusichern, fordert diese sogenannte „Opposition“ den Beitritt zu EU und NATO. Wen kann es dann noch ernsthaft verwundern, dass „Berater“ der Oppositions-Protagonisten maßgeblich finanziert wurden durch die Konrad-Adenauer-Stiftung oder EU-Stiftungen?
Um es deutlich zu sagen: Ich bestreite nicht, dass ein Teil der belarussischen Gesellschaft gegen Lukaschenko auf die Straße geht, weil sie sich mehr Demokratie wünscht. Aber ich bleibe beim EinmMaleins des Antifaschismus: Die Verteidigung des Friedens, der Kampf gegen die aggressivsten Kräfte des Imperialismus ist auch in Belarus als Maßstab antifaschistischer Politik anzusetzen. Und es liegt auf der Hand: Eine weitere Einmischung der EU- und/oder NATO-Staaten in die inneren Angelegenheiten in Belarus erhöht die Kriegsgefahr in Europa enorm. In diesem Sinne komme ich nicht umhin, meine tiefe Enttäuschung zum Ausdruck zu bringen, dass sich der Bundesvorstand ausgerechnet der Partei „Die Linke“ für Sanktionen gegen Belarus aussprach und Teile der Parteiführung in Erklärungen, den geopolitischen Kontext eines geplanten und von außen angetriebenen Regime-Change in Belarus völlig ausblendeten. Ich betone dabei: Als DKP-Mitglied schätze ich die Partei „Die Linke“ als eine unverzichtbare Friedenskraft und Stütze der Friedensbewegung. Als Mitglied der Friedenskoordination Potsdam schätze ich die Arbeit von Genossen der Linkspartei für den Frieden. Ich weiß aber auch: Die Friedensbewegung und die Genossen in der Linkspartei, mit denen ich in der Friko Potsdam zusammenarbeite, brauchen eine Linkspartei, die als konsequente Friedenskraft jeglichen Sirengesängen eines Menschenrechtsimperialismus widersteht. Eine Schwächung der Partei „Die Linke“ an dieser Frage ist eine Schwächung der gesamten Friedensbewegung.
Die Friedenslosung zur Bannung eines weiteren Krieges in Europa, die das Erbe der Antifaschisten vom Gamengrund in sich weiterträgt, heißt: Frieden und Freundschaft mit Russland und China – Hände weg von Belarus!
Und wer für diese antifaschistische Orientierung einsteht, kann keinen Frieden mit der EU und der NATO schließen. Der Austritt Deutschlands aus der NATO, der Abzug der US-Soldaten und US–Atomwaffen in Deutschland muss auf die Tagesordnung gesetzt werden. Lasst uns dafür gemeinsam streiten!