Das Erbe aneignen

Fritz Pasemann-Senkel im Gespräch mit Lothar Geisler

„Marxistische Lehrbriefe“

und ausgewählte Bildungshefte der DKP

USB-Stick, 19,80 Euro

Aus dem Inhalt

Marxistische Lehrbriefe 1968/69 zur Geschichte: z. B. Die Novemberrevolution 1918; Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg; Karl Marx – aus seinem Leben; Die Gründung der KPD; Die Pariser Commune 1971; Die deutsche Arbeiterbewegung 1919–1923; Der Faschismus an der Macht und der antifaschistische Widerstand 1933–1945; Der Zweite Weltkrieg und der Widerstand der deutschen Arbeiterklasse; Die deutsche Sozialdemokratie um die Jahrhundertwende; Die Wiederherstellung der Besitz- und Machtverhältnisse in West-Deutschland; Von Potsdam nach Bonn – Die Spaltung Deutschlands; u. v. m.

Bildungshefte der DKP (1973–1989): z. B. Kommunisten und Grundgesetz; Organisationspolitische Grundsätze der DKP; Warum beschäftigen wir uns mit der Geschichte der kommunistischen Bewegung?; Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik in sozialen Bewegungen; „Diese kleine doch mächtige Partei …“ – Die Gründung der DKP 1968; Krieg und Frieden heute; Neue Fragen der Aktionseinheit; Mehr Kommunisten braucht das Land; DKP – Partei des Sozialismus; DKP – eine demokratische Partei; Kultur und Handeln; Kommunisten, Wahl, Wahlbündnisse; DKP – 20 Jahre für Frieden, Arbeit, Demokratie; Wieder bei Marx – Auf dem Weg zu Lenin – 70 Jahre KPD-Gründung u. v. m.

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UZ: Anfang Februar erscheint im Rahmen eures „Projektes Erbeaneignung“ ein neues Digitalarchiv auf USB-Stick, das sich stärker als die bisherigen an Mitglieder von DKP und SDAJ richtet, nämlich die Broschürenreihe „Marxistische Lehrbriefe“ und ausgewählte Bildungshefte der DKP. Was ist der Grund dafür?

Lothar Geisler: Im Jahr 2018 knubbeln sich die runden Geburtstage: 200 Jahre Karl Marx, 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges, Novemberrevolution und KPD-Gründung, 50 Jahre „68er-Bewegung“, DKP- und SDAJ-Gründung, die für uns alle besonders wichtig sind und sich natürlich in unserer Heftplanung für 2018 niederschlagen. Der nicht ganz so bedeutende 55. Geburtstag unserer Zeitschrift ist da nur ein äußerer Anlass für dieses neue Digitalarchiv. Denn mit dieser Broschürenreihe „Marxistische Lehrbriefe“ waren die damaligen Macher unserer Zeitschrift bemüht, Studierenden, Lehrlingen und jungen GewerkschafterInnen in der außerparlamentarischen Aufbruchstimmung Ende der 60er Jahre marxistisches Grundwissen verständlich näher zu bringen, sozusagen in „verdaubaren Portionen“.

Der tiefere Grund für unser „Projekt Erbeaneignung“ hat eine prinzipielle und eine aktuelle Seite. Eine Partei wie die unsere hat prinzipiell keine Zukunft, wenn sie sich nicht in der Breite der Mitgliedschaft das theoretische, weltanschauliche Erbe und die gelebten geschichtlichen Erfahrungen vorheriger Kommunisten-Generationen bewusst aneignet und nutzbar macht. Der Zustand unserer Partei in ihrem 50. Jahr, vor allem die veränderten Rahmenbedingungen unseres Wirkens, stellen uns vor Herausforderungen, die wir – so glaube ich – in ihrer Dimension, Tiefe und Konsequenz für die Parteiarbeit erst noch richtig erfassen müssen und auf die wir – auch für unsere Bildungs- und Geschichtsarbeit – in den letzten 25 Jahren noch keine befriedigenden Antworten gefunden haben.

UZ: Kannst du das erläutern?

Lothar Geisler: Wenn es richtig ist, dass es mehr als 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und unseres Parteiapparates – je nach Sichtweise immer noch oder schon wieder – um die nackte Existenz der DKP geht, meine ich, täte es uns allen gut, dieses Jubiläumsjahr jenseits von Festtagsreden für etwas mehr kritische Selbstreflexion, Aufarbeitung der eigenen Geschichte – auch der letzten 25 Jahre – zu nutzen und uns bei allem notwendigen Streit auf gemeinsame Wurzeln und das gemeinsame Erbe zu besinnen. Die laufende Parteidebatte zeigt aus meiner Sicht neben ernsten inhaltlichen Differenzen vielfach vor allem eins: einen eklatanten Wissens- und Erfahrungsverlust bezüglich unserer realen Geschichte, vor allem bei einem Teil des Parteiaktivs, der erst seit den 1990er Jahren Mitglied der DKP geworden oder in Führungspositionen nachgerückt ist. Da scheint mir doch vieles, was direkt nach der Zäsur von 1989/90 und im Ergebnis der vorherigen Strömungsauseinandersetzung in der DKP Konsens war, in Vergessenheit geraten zu sein. Das Bild, das in der aktuellen Parteidebatte manchmal von der DKP bzw. ihren strategischen, programmatischen Positionen gemalt wird, hat mit unserer realen Entwicklungsgeschichte herzlich wenig zu tun. Da schmerzen Austritte langjähriger, erfahrener Mitglieder, die als kommunistische „Zeitzeugen“ der Nachkriegszeit bzw. der Gründungsphase und der ersten 25 Jahre der DKP noch Rede und Antwort stehen könnten, ganz besonders. Dass wir lange vor dem Führungswechsel auf dem 20. Parteitag der DKP eine tiefgehende Zerrüttung des Verhältnisses zwischen damaliger Mehrheit und Minderheit sowie zwischen Partei- und SDAJ-Führung zugelassen haben, hat weder uns als Partei noch der SDAJ gut getan. Dass wir hier auch ein gewisses Generationsproblem in der Partei haben, berücksichtigen wir m. E. in unseren Überlegungen zu wenig. Das unterstreicht die Bedeutung eines „Projektes Erbeaneignung“, das wir seit 2015 verstärkt auch mit Büchern unserer Edition Marxistische Blätter verfolgen, z. B. mit „Reale Geschichte als Lehrmeister“, „Lernen aus Krieg und Faschismus“ und „Revolutionäre Politik in nichtrevolutionären Zeiten“. Der USB-Stick mit den „Marxistischen Lehrbriefen“ und ausgewählten Bildungsheften der DKP ist wie gesagt ein weiterer Baustein dieses Projektes. Er ist vor allem „work in progress“: die noch fehlenden Bildungshefte werden im Laufe des Jahres ergänzt. Kleiner Werbeblock: Wer den Stick also jetzt kauft, bekommt den komplettierten kostenlos nachgeliefert.

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UZ: In der ersten Ausgabe dieses Jubiläumsjahres 2018 haben die Marxistischen Blätter als Beitrag zu „50 Jahre DKP“ den Programmentwurf der KPD vom 8. Februar 1968 als Beilage veröffentlicht. Warum in dieser Form und ausgerechnet dieses Dokument?

Lothar Geisler: Unsere Beilage des Abendroth-Vortrages über „Lenin und die internationale Arbeiterbewegung“ im Schwerpunktheft „Klasse, Demokratie, Arbeiterbewegung“ (6_2017) ist auf so positive Resonanz gestoßen, dass wir uns kurz entschlossen haben, solche Beilagen öfter zu machen. Das mit diesem Programmentwurf der KPD fortzusetzen lag da nahe, nicht nur um noch einmal für unser Buch „Lernen aus Krieg und Faschismus“ zu werben, das sich mit den wichtigsten Fragen der Nachkriegsgeschichte der KPD bis 1968 befasst. In ihrem 50. Jahr machte die KPD am 8. Februar 1968 einen demonstrativen Schritt aus der Illegalität, in die sie seit 1956 – nur wenige Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus – durch ein von vornherein verfassungswidriges Parteiverbot erneut verbannt war. Sie stellte diesen Programmentwurf öffentlich vor und zur Diskussion, nicht nur auf einer Aufsehen erregenden Pressekonferenz in Frankfurt/Main, bei der Herbert Mies, der spätere Vorsitzende der DKP, verhaftet wurde, sondern auch in öffentlichen Veranstaltungen z. B. in Bremen. Dieser Entwurf ist das letzte, reifste programmatisch-strategische Dokument der (West-)KPD, in das die Erfahrungen des Widerstandskampfes gegen den Faschismus genauso eingegangen sind wie die Lehren aus eigenen linksradikalen Fehleinschätzungen und -entscheidungen der frühen Nachkriegsjahre. Die Herrschenden der BRD hielten trotzdem am verfassungswidrigen KPD-Verbot fest, haben aber die Neukonstituierung einer legalen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im September 1968 nicht verhindert. Dieser Programmentwurf von 1968 ist ohne Zweifel eins der Schlüsseldokumente der KPD, an das die DKP – z. B. neben dem Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 – in der Entwicklung ihrer programmatischen und strategischen Positionen angeknüpft hat. Anders gesagt: beim Übergang von der KPD zur DKP kann man auch sehr gut Erkenntnisse gewinnen, wie deutsche KommunistInnen in veränderter Lage sowohl für Kontinuität – z. B. von strategischen, programmatischen Positionen – gesorgt haben und zugleich mit Überholtem – z. B. im Verständnis der Parteiorganisation – gebrochen haben, oder anders formuliert: wie sie den historischen Materialismus ganz in Marx’schem Verständnis dialektisch statt mechanistisch begriffen und angewendet haben. Ein Grundverständnis des historischen Materialismus und eine Fähigkeit, um die jede neue Generation unter ihren konkreten Verhältnissen neu ringen muss.

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"Das Erbe aneignen", UZ vom 12. Januar 2018



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