Trump vor dem Aus oder vor der Selbstaufgabe

Das Ende von „Economic Nationalism“?

Von Klaus Wagener

Stephen Bannon ist raus. „The White House is now running entirely by Hucksters, Democrats, and Generals“, (Das Weiße Haus wird nun völlig von Krämern, Demokraten und Generälen geführt) bemerkt lakonisch Ryan Grim auf der Internet-Plattform „The intercept“. Bannon gilt als der entschiedenste Befürworter des „economic nationalism“, einer Strömung, die sich die Erhaltung und Restrukturierung der ökonomischen Dominanz des Imperiums auf die Fahne geschrieben hat. Und die, als ein Kernelement ihrer Politik, die Bekämpfung der sich akkumulierenden Ungleichgewichte im Austausch mit der Volksrepublik China voranzutreiben versucht.

Letzte Woche hatte sich der US-Präsident erneut medienwirksam gegen die Volksrepublik positioniert. Gerade war es zu blutigen Angriffen Rechtsradikaler auf linke Demons­tranten in Charlotteville gekommen. Trump hatte eigens seinen Urlaub in seinem New Jersey Golf Club unterbrochen, um in Washington ein Memo zu unterzeichnen, mit dem er den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer auffordert, Untersuchungen gegen die Volksrepublik einzuleiten wegen des Diebstahls von US-Technologie und geistigen Eigentums. Die Vorwürfe sind nicht neu. Sie wurden von den etablierten imperialistischen Mächten gegen den asiatischen Newcomer seit langem immer wieder erhoben – und ebenso routinemäßig bestritten. Neu ist die nach dem Kongressbeschluss gegen Russland offensichtlich ernst gemeinte Androhung von Wirtschaftssanktionen.

Natürlich ist klar, dass eine nachholende Industrialisierung das Rad nicht ein zweites Mal erfinden will. Bis zum Erreichen der eventuell eigenen Technologieführerschaft kopieren aufsteigende Wirtschaftsmächte die Produkte und Technologien der führenden Staaten. Das galt für Japan ebenso wie für Deutschland und natürlich auch für die USA. Es gab Staaten, da passte dieser Prozess gut ins imperialistische Konzept, wie beispielsweise bei den antikommunistisch-proimperialistischen „Tigerstaaten“, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong, bei manchen eben nicht, wie eben bei China – ab einem bestimmten Zeitpunkt.

Mit der Durchsetzung der antisowjetischen Grundausrichtung und der Akzeptanz kapitalistischer Direktinvestitionen und forcierter Profitproduktion durch Peking wurde auch die rapide nachholende Industrialisierung Chinas akzeptabel. Bis zur Großen Weltwirtschaftskrise, bis zum Offenbarungseid des Imperiums in „Greater Middle East“ und bis die Volksrepublik nun zu einem Wirtschafts- und Machtproblem für das Imperium geworden ist. Die Volksrepublik investiert pro Jahr 1,1 Billion Dollar in ihre Infrastruktur (South China Morning Post nach Oxford Economics). Pro Jahr mehr als das, was Donald Trump als sein großes 10-Jahres-Ziel verkündet hat. Während sich Trumps Vision von einer Restrukturierung des Imperiums („Make America great again!“) im Sperrfeuer des „American Deep State“ und der „liberalen Globalisierer“ in Rauch aufgelöst hat, werden die Chinesen ihre Wirtschaftsvorhaben mit hoher Wahrscheinlichkeit effizient durchsetzen. Während es beispielsweise in den USA so gut wie keine High-Speed-Eisenbahn gibt, besitzen die Chinesen nicht nur die weltweit schnellsten Plandienstzüge, sondern auch, mit 22000 km, etwa zwei Drittel des gesamten globalen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Bis 2020 sollen es 30000 km werden. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so eindrucksvoll, sieht es mittlerweile im IT-Bereich, bei der Schwerindustrie, beim Schiffs-, Kfz-, und Computerbau und ebenfalls bei der Produktion regenerativer Energie aus. Da stellt sich mittlerweile schon die Frage, wer da eigentlich von wem abbkupfert.

Das mit der „Reagan-Revolution“ deindustrialisierte Imperium akkumulierte ein Handelsbilanzdefizit von etwa 13,5 Bio. Dollar und eine Staatsschuld von 20 Bio. Dollar. Allein mit der VR China fuhren die USA ein akkumuliertes Handelsdefizit von 4,5 Bio. Dollar ein. Etwa das gleiche Volumen hatten die „Quantitative Easing“-Programme der Federal Reserve. Nur aufgrund der militärgestützten Dollardominanz ist das Imperium – noch – in der Lage, seine Importe, den Schweiß der Milliarden, mit bedrucktem Papier zu begleichen. Noch kann sich das Imperium seine kredit- und Fiat-Money-finanzierte (Geld ohne inneren Wert), hypertrophe Kriegsmaschine leisten. Aber die Tage des Dollar dürften gezählt sein. So oder so. Und dann wird es kompliziert.

Es ist ein markantes Symptom für den Niedergang des Imperiums, dass die Partialinteressen derartig dominant auftreten, dass die (selbst im imperialistischen Interesse) ganz offenkundig dringenden Reform- und Restrukturierungserfordernisse nicht einmal in der rechtspopulistisch-bornierten Form adressiert und angegangen werden können. Der Unterschied zu der Reagan-Ära, in der ein ähnlich eher begrenzter, ebenfalls republikanischer Präsident mit exakt dem gleichen Slogan antrat, könnte kaum eindrucksvoller sein. Damals ging es allerdings um die, leider erfolgreiche, Erdrosselung des Sozialismus, welche die Begeisterung des Establishments bis heute erzeugte und die auch den Weg in den Schuldenstaat akzeptabel machte. Linke sollten nicht dem Irrtum verfallen, dass eine irgendwie linkssozialdemokratische Variante etwa mit Bernard Sanders an der Spitze mit weniger aggressivem Gegenwind zu rechnen hätte. Ganz im Gegenteil. Ohne eine breite Massenbewegung, ohne eine erhebliche Änderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses wird es im großen Ganzen beim gegenwärtigen Kurs bleiben. Wall Street, der finanzkapitalistische Kern des „American Deep State“, erzielt bei „freiem Waren- und Kapitalverkehr“ in den Boomtowns der Welt weitaus höhere Profite, als sie bei einer Restrukturierung und Reindustrialisierung des Imperiums möglich wären. Daher wird aus Trumps Wirtschaftssanktionen gegen China wohl auch nicht viel werden. Im Gegensatz zum Russlandhandel ist der Waren-und Kapitalaustausch mit China elementar für die USA. China ist auf absehbare Zeit das Boomtown Nr. Eins. Da will Wall Steet auf jeden Fall investiert sein.

Die historische Ironie dieser Situation steckt darin, dass sich das Erfolgsrezept der VR China substantiell kaum vom „Economic Nationalism“ eines Steve Bannon unterscheidet. Es geht um Protektionismus, den Schutz der eigenen Ökonomie, um Merkantilismus, das Betreiben einer „aktiven“ Handelsbilanz (Handelsüberschüsse), einer „aktiven“ Kapitalverkehrsbilanz (Kapitalexportüberschüsse) und Importsubstituierung. Dazu gehört unabdingbar eine starke regulierende, lenkende und initiierende Rolle des Staates. Und um diese starke steuernde Position zu ermöglichen, bedarf es einer entsprechenden administrativen Kompetenz und der dazugehörigen materiellen, personellen und finanziellen Ausstattung: Hohe Steuersätze und fallweise hohe Zölle. Entgegen den Reklame-Erzählungen der „Globalisierung“ und des „Free Enterprise“ war und ist die Basis aller großen Industrialisierungen irgendeine Form von „Economic Nationalism“. Inklusive die des Britischen Imperiums. Und, speziell bei Roosevelt, die des New Deal. Erst ab einem bestimmten Monopolisierungsgrad, einer bestimmten Dominanz über die internationale Konkurrenz, ab einer bestimmten machtpolitischen Überlegenheit erscheint „Economic Nationalism“ als Fessel, als unnützer Kostenfaktor, als Profitbremse. Der Staat wird in den Globalisierungsphantasien des Neoliberalismus zum Problem und jeder, der ihn zurückholen will, zum Idioten (Trump) oder zum „Darth Vader“ (Bannon). Nun ist auch „Trumpism“ gescheitert, und damit ist der weitere Verfall, der weitere Demokratieabbau, die innen- und außenpolitische Militarisierung, der permanente Krieg und die ideologisch-mentale und kulturelle Dekadenz programmiert. Die Tragik liegt darin, dass bislang keine Kraft erkennbar ist, die diesen Prozess stoppen könnte.

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"Das Ende von „Economic Nationalism“?", UZ vom 25. August 2017



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