Griechenland: Kämpfe der Studierenden – was tun die Kommunisten?

Das Bündnis im Hörsaal

Von Ari Rotperle

Wir stehen vor dem Gebäude der Physikfakultät der „Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen“, das sich auf dem Zografos-Campus östlich vom Zentrum befindet. Von außen wirkt das Gebäude renovierungsbedürftig – und von innen erst recht. Dabei ist das Gebäude erst kürzlich zum ersten Mal seit einem Jahr wieder gereinigt worden, erzählen uns Studierende, die einen Infostand der „Kampffront der Studierenden“ (MAS) betreuen. Die Sparmaßnahmen schlagen hier durch: Für Reinigungspersonal ist kein Geld mehr da. Wir sind hier, um genau darüber zu diskutieren, über die Erfahrungen der letzten Jahre, über die Strategie der Kommunistischen Jugend KNE und der KKE an den Hochschulen sowie über die Kämpfe der griechischen Studierenden.

Die Hochschulen sind ein wichtiges Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Griechenland, dementsprechend legen die griechischen Kommunistinnen und Kommunisten großes Gewicht auf den Kampf dort. Es gilt, auch die Studierenden einzubeziehen in das Volksbündnis aller klassenkämpferischen Kräfte, welchem eine zentrale Rolle in der Strategie der KKE zur Überwindung des Kapitalismus zukommt.

In Griechenland stellt der Besuch einer Hochschule nach der Schule den normalen Bildungsweg dar. Obgleich die Verfassung vorschreibt, dass der Zugang zum Bildungssystem kostenfrei sein muss, findet bereits in der Zulassung zu den Studiengängen eine soziale Selektion statt. Die staatlichen Schulen bereiten die Schüler nur unzureichend auf die allgemeinen Aufnahmeprüfungen der Unis vor. Privatschulen nutzen diese Lücke zur Kommerzialisierung der Bildung und bieten kostenpflichtigen Unterricht an. Der Druck ist so hoch, dass griechische Familien insgesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr für zusätzliche Bildungsmaßnahmen ausgeben. Wir treffen Lehrerinnen, die neben ihrer Arbeit an einer staatlichen Schule an einer dieser Privatschulen arbeiten, weil ihr Gehalt sonst nicht zum Leben reicht.

An den Hochschulen ist es nicht besser. Die Studierenden müssen zwar keine Studiengebühren zahlen, viele von ihnen müssen aber neben dem Studium arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – zum Beispiel, erzählen uns einige von ihnen, im Callcenter für 3,50 Euro pro Stunde. An den Hochschulen ist die Unterfinanzierung überall sichtbar: Stellen werden gestrichen, Wohnheimplätze fehlen. Und auch, wer sein Studium trotz allem abschließen kann, findet nur selten einen Arbeitsplatz, der der eigenen Qualifikation entspricht.

Und die Angriffe gehen weiter. Vor kurzem äußerte der Bürgermeister von Thessaloniki, es sei nötig, Studiengebühren einzuführen. In der vergangenen Woche demonstrierten in zahlreichen griechischen Städten Studierende gegen solche Pläne und gegen die Maßnahmen der Regierung.

Die KNE will alle Studierenden ansprechen, die durch ihre soziale Lage und ihre prekären Lebensbedingungen ein Interesse daran haben, die Zustände an den Hochschulen zu verändern. Um auch an Hochschulen eine kämpferische Politik zu verbreiten, stellt die KNE Wahllisten der sogenannten Panspoudastiki K. S. (PKS) auf. Diese Listen sind bei den Wahlen zur Studierendenunion, die in den Fakultäten gewählt wird, die Kraft, die für die Interessen der Studierenden aus werktätigen Klassen und Schichten und für die Zusammenarbeit mit der Arbeiterbewegung eintritt. Und das mit beachtlichem Erfolg. In Griechenland gibt es zwei Arten von Hochschulen: Die AEI entsprechen den deutschen Universitäten, die TEI (Technische Hochschulen) sind mit den deutschen Fachhochschulen vergleichbar. Inzwischen sind die Listen der PKS an beiden Arten von Hochschulen eine starke Kraft: 2012 gewannen sie rund 16 Prozent der Stimmen an den TEI und gut 14 Prozent an den AEI. Seitdem wuchs ihr Anteil kontinuierlich. Bei den Studierendenwahlen im Mai dieses Jahres fielen bereits 23 Prozent bzw. über 19 Prozent der PKS zu, die PKS sind damit inzwischen landesweit die zweitstärkste Kraft in den Studierendenunionen. Die meisten Stimmen erhielten die Listen der Konservativen, die Syriza-Liste AREN kam auf 7,4 Prozent (AEI) bzw. 2,1 Prozent (TEI).

Die KNE versucht, die Kämpfe an den einzelnen Hochschulen miteinander zu koordinieren und die Kämpfe an den Hochschulen mit denen der Arbeiterbewegung und aller anderen Werktätigen zu verbinden. Dazu wurde 2009 die MAS, die „Kampffront der Studierenden“, gebildet. Sie schließt die Studierendenunionen zusammen, in denen die PKS die Mehrheit hat – und zwar sowohl von AEI als auch von TEI, deren Studierende häufig gegeneinander ausgespielt werden. Die MAS wiederum beteiligt sich am Volksbündnis und an den lokalen Volkskomitees. Zum Beispiel organisiert sie zusammen mit der PAME kostenlosen Nachmittagsunterricht für die Bevölkerungsteile, die sich die teuren Nachmittagsschulen nicht leisten können. Sie organisieren also alltägliche Solidarität und nutzen sie, um das politische Bewusstsein zu heben.

Darüber hinaus versucht die MAS, fortschrittliche Lehrinhalte an den Unis zu etablieren. Sie zeigt auf, inwiefern die griechische Regierung (bzw. ihre Vorgänger) und die EU Verantwortung tragen für die prekäre Situation, der Studierende in Griechenland häufig ausgesetzt sind. Und sie fordert eine einheitliche, wirkliche kostenfreie und allgemein zugängliche universitäre Bildung statt der fortschreitenden Umwandlung von Universitäten in unternehmensähnliche Strukturen.

In dieser Arbeit spielen KKE und KNE eine entscheidende Rolle – für sie ordnen sich diese Kämpfe ein in ihre Strategie, das Volksbündnis weiterzuentwickeln zu einer Kraft, die eine sozialistische Gesellschaft verwirklichen kann.

Unser Autor nahm im September an der Solidaritätsreise der SDAJ nach Griechenland teil.

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"Das Bündnis im Hörsaal", UZ vom 13. November 2015



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