Lebenswerk und Hollerhof von Dietrich und Christel Kittner in einer Stiftung

Das anerkannt schlimmste Schandmaul

Von Anne Rieger

http://www.hollerhof.at

Dietrich Kittner in Aktion

Dietrich Kittner in Aktion

( Manfred Werner / Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Im Herbst 2016 wurde auf dem „Hollerhof“, direkt an der österreichisch-slowenischen Grenze, die Christel-und-Dietrich-Kittner-Stiftung aus der Taufe gehoben. Ziel ist die Förderung des deutschsprachigen politischen Kabaretts, so wie es die Namensgeber*innen gewollt haben. Es ist eine Stiftung „zur kulturellen Förderung und Bewahrung des Lebenswerks von Dietrich und Christel Kittner“.

Dietrich Kittner war der systemkritische Kabarettist im deutschsprachigen Raum – immer dem Marxismus verpflichtet. Zitate wie „Der Student studiert, der Arbeiter arbeitet, und der Chef scheffelt“ sind heute Allgemeingut, schreibt die Freie Presse Chemnitz. Die Süddeutsche Zeitung nannte ihn den „gefürchtetsten Solokabarettisten Deutschlands“, andere lobten ihn als den „bissigsten“, „aufmüpfigsten“ Satiriker deutscher Zunge. Ernest Kaltenegger, Vorsitzender der Stiftung, beschreibt die Arbeit von Kittner so: „Dietrich kämpfte mit seinen Mitteln: Der Scharfzüngigkeit, mit der er Missstände benannte, der Satire, mit der er die Lächerlichkeit so mancher Figur an den Schalthebeln der Macht bloßstellte und auch Absurditäten bürokratische Maßnahmen aufzeigte.“

Von 1960 bis 2011 brachte Kittner 30 Kabarettprogramme auf die Bühne, in seinem eigenen Theater in Hannover und auf ungezählten Tourneen durch den deutschsprachigen Raum. Bis zu 220 Soloauftritte im Jahr absolvierte er mit seiner Partnerin Christel, die von Anfang an die Bühnentechnikerin war, die Organisation und das Archiv unter Kontrolle hatte. Ohne sie ist Dietrichs erfolgreiche Arbeit als Kabarettist, Buch- und Videoautor nicht denkbar. Er erhielt den Deutschen Kleinkunst-, den Deutschen Schallplatten- und den Erich-Mühsam-Preis. Fernsehauftritte blieben ihm meist verwehrt – er war eben „der Inhaber des anerkannt schlimmsten Schandmauls“ (Münchner Merkur). Für Gewerkschafts- und Alternativbühnen dagegen wurde er mit Freuden engagiert, bei Gewerkschafts- und Streikaktionen spielte er kostenlos. Eine seiner letzten Vorstellungen gab er auf dem UZ-Pressefest 2011.

Legendär seine initiierende Rolle bei der „Rote Punkt“-Aktion gegen die Fahrpreiserhöhung in Hannover. Dort wurde jetzt vor dem Bismarck-Bahnhof der Dietrich-Kittner-Platz eingeweiht. Im Februar 2013 ist Dietrich 77-jährig gestorben, ein Jahr später starb Christel.

Vor 25 Jahren erwarben die Kittners einen Bauernhof bei Bad Radkersburg in der Südsteiermark, 200 Meter von der slowenischen Grenze entfernt. Die Idee entstand auf der Durchreise von Deutschland nach Jugoslawien. Nah an den Murauen, offen zur Pannonischen Tiefebene nach Ungarn und zu den slowenisch/steirischen Weinbergen, entdeckten sie den Bauernhof in einem kleinen Dorf, in dem die Mehrheit Slowenisch spricht. Er wurde ihr Lebensmittelpunkt.

Hier bereitete Dietrich seine Programme auf der kleinen Probebühne vor, schrieb Bücher und Beiträge für Zeitschriften, wie zum Beispiel für den „Ossietzky“. In den drei Ferienwohnungen auf dem „Hollerhof“ konnte Urlaub der anderen Art gemacht werden. Es entstand mit der Zeit ein Begegnungszentrum für politisch fortschrittliche Menschen. Das soll nun weitergeführt und ausgebaut werden.

Der Hollerhof ist wieder offen für Gäste

Der Hollerhof ist wieder offen für Gäste

( Kaltenegger)

„Wir wollen den Hollerhof in seiner Einzigartigkeit erhalten. Wenn man hierherkommt, sieht jeder gleich, wo er politisch steht, die Dekoration des Anwesens, der Zimmer, die Bücher, Bilder u. a. von Guido Zingerl lassen keinen Zweifel offen“, erläutert Ernest Kaltenegger. Wieder kann man hier zu günstigen Preisen Urlaub der anderen Art machen und Kittners ein wenig nachspüren – z. B. bei der Besichtigung ihres politischen Wohnraumes. Bereits jetzt kann man für dieses Jahr wieder Ferienwohnungen buchen. Mit den Einnahmen soll das Haus erhalten werden.

Christel Kittner verfügte in ihrem Testament die Errichtung einer Stiftung. Dem Vorstand gehören Ernest Kaltenegger, Thomas Matthes, Margarethe Milak und Hermann Bleinroth an. Dietrich und Christel war es ein Anliegen, den Hollerhof zu erhalten und das politische deutschsprachige Kabarett zu fördern. Ernest Kaltenegger, ehemaliger Wohnungsbürgermeister der KPÖ in Graz und Landtagsabgeordneter in der Steiermark, hat zwei Jahre daran gearbeitet, dass die Christel-und-Dietrich-Kittner-Stiftung Realität wurde, und dafür gesorgt, dass der wertvolle Schatz der schriftlichen Nachlässe von Kittner im Kabarettarchiv in Mainz gesichert und wissenschaftlich betreut werden kann. Auch mit dem österreichischen Kabarettarchiv in Graz sind Kooperationen geplant.

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"Das anerkannt schlimmste Schandmaul", UZ vom 17. März 2017



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