Das 9-Euro-Ticket

Sonntagabend, 18 Uhr 44 im Regionalexpress zwischen Düsseldorf und Essen. Es ist voll, richtig voll. „Danke, 9-Euro-Ticket“, geht vermutlich den meisten, die regelmäßig Bahn fahren, in der Situation durch den Kopf. Und dann dürfen wir auch noch doppelt zahlen: Erst mit den Steuern und im Dezember dann mit einer saftigen Preiserhöhung für den Öffentlichen Nahverkehr. Dabei kann das 9-Euro-Ticket da gar nichts für und wenn ich mich bei meinen Mitreisenden so umschau, ist es auch eine feine Sache, wenn man sich einen Ausflug am Wochenende nicht vom Mund absparen muss. Schön ist, wenn einem die Ursache der Misere aus berufenem Munde erklärt wird. Kurz nach dem Düsseldorfer Hauptbahnhof (inzwischen ist es noch voller) meldet sich der Lokführer: „Achtung, jetzt wird es politisch!“ Oha, die Reisenden lauschen gespannt. „Weil die deutsche Politik vor einigen Jahren beschlossen hat, dass ausgerechnet die Bahn profitabel sein soll, stehen Sie jetzt hier wie die Würstchen im Glas. Ich erläutere Ihnen gern, warum …“ Und das tut er dann auch ausführlich. Klar könnte man noch ein Zugteil anhängen, „das ist technisch sogar möglich“, nur leider macht das Profitstreben auch vor den Bahnsteigen nicht halt. Die neuen sind so kurz, dass da halt nur zwei Zugteile dranpassen. „Ansonsten müssten Sie, liebe Fahrgäste, in den Schotter springen, und das will dann auch wieder keiner.“ Für so viel Ehrlichkeit gibt es gleich eine Runde Applaus. Darüber, wie man die Verhältnisse ändern könnte, in denen der Öffentliche Verkehr dem Profit zum Fraß vorgeworfen wird, redet von den Würstchen im Zugabteilglas keins. Dafür wartet man gespannt, wie viele wohl an der nächsten Haltestelle noch zusteigen.

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"Das 9-Euro-Ticket", UZ vom 17. Juni 2022



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