Sicherlich nicht zufällig hat Bundeskanzler Olaf Scholz zwei Tage vor der entscheidenden dritten Verhandlungsrunde im Öffentlichen Dienst der Länder die Erwartung an die Arbeitgeber und Gewerkschaften noch einmal verkündet: „Das eigentliche Erfolgsmodell unserer Volkswirtschaft beruht auf der Sozialpartnerschaft!“ ver.di war dem Ruf insofern schon gefolgt, als dass die Tarifforderungen mit Lohngerechtigkeit und Wertschätzung für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen begründet wurden. Kritik an der Aufrüstungs- und Kriegspolitik der Bundesregierung auf Kosten der Bevölkerung wurde konsequent ausgespart. Der vermeintliche Sozialpartner, die Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst, drohten dagegen die Situation zu eskalieren, indem sie – mit Blick auf den schwachen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad – bis zur dritten Runde kein Angebot vorlegten und alle Forderungen grundsätzlich ablehnten.
Die von Scholz postulierte Erwartung war der Fingerzeig, der die Tarifgemeinschaft der Länder zurück in die Spur brachte. Denn zur Einbindung der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften in die herrschende Politik von Aufrüstung und Sozialabbau braucht es Zugeständnisse an die Beschäftigten und die Vermeidung von Zuspitzungen in Tarifauseinandersetzungen. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass der Unmut der Beschäftigten den von der Gewerkschaft gesetzten Rahmen verlässt und die aktuelle Politik wirklich hinterfragt wird.
Leidtragende dieser Sozialpartnerschaft sind die Beschäftigten. Ihnen wird der Lohnabschluss als Erfolg verkauft, obwohl er den Reallohnverlust der letzten Jahre nicht ausgleicht. Leidtragend sind aber vor allem die Beschäftigten in den Städten und Betrieben, die in der Tarifrunde den politischen Bezug hergestellt haben und darüber Stärke und Kampfkraft aufbauen konnten. Sie haben für ihre Lohn- und weitergehenden Forderungen – wie der nach einem wirklichen Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte oder einer Stadtstaatenzulage – viel mehr Kolleginnen und Kollegen in den Streik geführt als in vergangenen Tarifrunden. Darauf gilt es aufzubauen, was dann möglich ist, wenn der vorhandene Frust über den Abschluss in den Betrieben besprochen und politisch eingeordnet wird. Und wenn mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen das Märchen von der Sozialpartnerschaft in Frage stellen.