Am 16. Mai wurde die Gruppe Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) vom NRW-Innenministerium verboten und die Wohnungen mehrerer Aktivisten durchsucht. Auch Ahmad Othman gehörte zu den Betroffenen – nun soll er aus offen politischen Gründen auch noch seinen Arbeitsplatz verlieren. UZ sprach mit ihm über die Folgen des Verbots, seine berufliche Situation und den Kampf um seinen Arbeitsplatz.
UZ: Für dich hatte das Verbot von Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) von Anfang an auch berufliche Folgen. Was ist passiert?
Ahmad Othman: Das Verbot hat uns alle massiv getroffen. Meine Wohnung wurde durchsucht und ein paar Stunden später auch mein Arbeitsplatz. Ich arbeite in der IT, meistens im Home-Office. Deswegen wurden bei mir auch mehrere Geräte beschlagnahmt, die meinem Arbeitgeber gehören. Auch an meinem Arbeitsplatz war die Mitnahme mehrerer Geräte vorgesehen. Dies wurde jedoch unterlassen, da bei diesen keinerlei persönlicher Bezug festgestellt wurde.
Durch diese Durchsuchungen hat mein Arbeitgeber erfahren, dass ich bei der Palästina Solidarität Duisburg aktiv war. Das war zwar kein Geheimnis, hatte aber an meinem Arbeitsplatz bislang keine Rolle gespielt. Direkt nach der Durchsuchung des Arbeitsplatzes hatte ich drei Wochen Urlaub. Danach wurde mir telefonisch gesagt, dass ich noch eine Woche zuhause bleiben soll, um Überstunden abzubauen. Das Ganze zog sich immer weiter in die Länge. Erst auf schriftliche Nachfrage habe ich schriftliche Rückmeldung bekommen und wurde suspendiert, also bei vollem Gehalt freigestellt. Im Freistellungsbescheid stand, dass ich das Haus nicht mehr ohne Absprache mit der Geschäftsführung betreten durfte. In mein Büro hätte ich nur noch mit Begleitung gehen dürfen.
UZ: Was hast du während deiner Suspendierung gemacht?
Ahmad Othman: Die Gruppe PSDU besteht nicht mehr. Ich habe die Zeit aber genutzt, um gegen das Verbot aktiv zu werden. Ich habe gegen die Sicherstellungsbescheide und gegen die Hausdurchsuchungen geklagt und mit anderen auch Klage gegen das Verbot von PSDU eingereicht. Zudem bin ich bei mehreren Veranstaltungen aufgetreten. Ich habe, wie die anderen Betroffenen auch, darüber informiert, was uns passiert ist. Seit dem Verbot werden unsere Rechte auf Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt. Wir erleben Schikanen und Diffamierungen, werden in den Medien als Antisemiten oder „Terror-Unterstützer“ dargestellt.
UZ: Wo du gerade von Schikanen sprichst … Das Verbot von Palästina Solidarität Duisburg wurde mit dem öffentlichen Auftreten der Gruppe begründet. Wozu dienten da noch die Durchsuchungen?
Ahmad Othman: Ich war an dem Tag der Hausdurchsuchung nicht in meiner Wohnung. Obwohl eine andere Person da war, hat die Polizei die Tür mithilfe eines Schlüsseldienstmitarbeiters, der bereits im Einsatz war, aufgemacht, ohne vorher zu klingeln. Ich habe dieses Eindringen als einen rassistischen Akt mir gegenüber empfunden. Da ich nicht anzutreffen war, wurde die Durchsuchung meines Arbeitsplatzes beantragt und am gleichen Tag von derselben Richterin genehmigt, die auch die Hausdurchsuchungen erlaubt hatte. Das angebliche Ziel war, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und Beweismittel für die Organisation, Mitgliedschaft und Finanzierung der Gruppe aufzufinden. Aber an meinem Arbeitsplatz gab es eben nur Arbeitsgeräte – was auch sonst? Die Durchsuchung war also erfolglos. Aber natürlich diente dieses Vorgehen auch dazu, unseren Ruf zu schädigen und uns als Personen so viel Schaden zuzufügen wie nur möglich.
UZ: Nun sollst du deinen Arbeitsplatz verlieren. Wie wurde die Kündigung begründet?
Ahmad Othman: Am 6. Dezember 2024 wurde mir schriftlich zum 31. Dezember gekündigt. In der Begründung wurde mir eine verfassungswidrige Gesinnung vorgeworfen, weshalb ich ungeeignet sein soll, meinen Job auszuüben. Begründet wird dieser Vorwurf mit meiner früheren Mitgliedschaft bei PSDU, aber auch – und jetzt wird es interessant – unter anderem damit, dass ich gegen das Verbot juristisch vorgehen würde. Mit anderen Worten, auch wegen meiner Ausübung von Grundrechten werde ich als Verfassungsfeind behandelt. Es heißt, ich würde mich nicht von PSDU distanzieren. Eine eigenartige Begründung. Ich habe immer betont, dass das Verbot durch das NRW-Innenministerium falsch und rechtswidrig ist und habe dagegen auch juristische Schritte eingeleitet. Es ist Bestandteil meines grundlegenden politischen Selbstverständnisses, dass ich kein Antisemit bin und Antisemitismus nicht toleriere. Wovon soll ich mich also distanzieren? Ich kritisiere jedoch die demagogische Gleichsetzung sachlicher Kritik an der Völkermordpolitik Israels mit Antisemitismus.
In der Begründung wurde auch eine Rede von mir herangezogen, die ich auf dem Palästina-Kongress in Wien gehalten habe. Auch das ist spannend. Denn meine Rede wurde erst am 29. Oktober auf YouTube veröffentlicht und am 4. November bei Instagram verbreitet. Meine Kündigung wurde am 6. November geschrieben – das ging also sehr schnell.
Der wichtigste Grund für die Kündigung ist aber ein anderer. Als IT-Mitarbeiter bin ich im Bereich Entwicklung und Serverbetreuung beschäftigt. Dadurch habe ich Zugriff auf bestimmte Daten und Systeme, mit denen ich sensibel umgehe. Im Kündigungsschreiben heißt es nun: „Vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen (…) und über die oben angeführte Gruppierung (PSDU) ist zu befürchten, dass Sie die Zugriffsmöglichkeiten im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeiten nicht mehr mit der hinreichenden Zuverlässigkeit und Neutralität nutzen.“ Mir wird also vorgeworfen, dass ich meine Zugriffsrechte missbrauchen könnte, um in bestimmte Strukturen vorzudringen. Das ist aufgrund der technischen Sicherungsmechanismen jedoch gar nicht möglich und ich habe auch gar keinen Grund dazu. Als IT-ler hat man immer mit sensiblen Daten zu tun und ich bin immer korrekt damit umgegangen. Es gibt für diesen Vorwurf überhaupt keine Anhaltspunkte.
UZ: Also wird, ausgehend von deiner politischen Überzeugung, ein mögliches Fehlverhalten konstruiert, für das es gar keine Beweise gibt …
Ahmad Othman: So ist es. Das hat Auswirkungen über die Kündigung hinaus, weil mein Ruf als IT-ler beschädigt wird. Deshalb sprechen wir auch von einem Berufsverbot. Mit dem Radikalenerlass von 1972 wurden unzählige Menschen gesetzlich an der Ausübung ihres Berufes gehindert. Dieser Erlass existiert heute zwar nicht mehr und mir wird nicht offiziell verboten, nach der Kündigung weiter in der IT-Branche zu arbeiten. Aber das ist nur eine theoretische Möglichkeit. Der Vorwurf, dass ich meine Zugänge missbrauchen könnte, führt dazu, dass Unternehmen mir nicht mehr vertrauen. Wer soll mich noch einstellen, wenn die Kündigung mit dieser Begründung bestehen bleibt?
UZ: Wie geht es jetzt weiter?
Ahmad Othman: Mir wird kein persönliches Fehlverhalten am Arbeitsplatz vorgeworfen. Im Gegenteil: Selbst nach dem PSDU-Verbot wurde mir explizit gesagt, dass man mit meiner Arbeit mehr als zufrieden ist. Niemand hat meine Fähigkeiten oder Erfahrungen in Frage gestellt. Alles, was vorgebracht wird, ist meine politische Überzeugung. Natürlich habe ich Klage eingereicht. Im nächsten Schritt wird es einen Gütetermin beim Arbeitsgericht geben. Meine Entscheidung steht schon fest: Ich bestehe darauf, dass die Kündigung zurückgenommen wird. Ich will meinen Job zurück!
Ich bin bereit, dafür auch vor Gericht zu ziehen. Da es sich um eine ausdrücklich politisch motivierte Kündigung handelt, ist das ein politisches Verfahren. Wenn es nötig ist, werde ich durch alle Instanzen gehen, um meinen Arbeitsplatz zurückzubekommen. Ich weiß, dass es dabei um mehr geht als nur um mich. Es geht um Meinungsfreiheit und Gerechtigkeit, um Demokratie und um das Grundrecht, sich juristisch zu wehren. Wenn ich verliere, dann verlieren wir alle.
Weitere Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es auf der Homepage des Komitees gegen das Verbot von Palästina Solidarität Duisburg.