Seit Jahren kämpfen wir im Gesundheitswesen gegen Unterbesetzung und Personalnot, ringen um jeden freien Tag, versuchen mit immer weniger Kolleginnen und Kollegen eine fachgerechte Versorgung im Krankenhaus und Pflegeheim sicherzustellen – und was ist der Dank? Ein ausgestreckter Mittelfinger von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und der Bundesregierung in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst.
Auf den Pflegestationen, in Kindertagesstätten und Pausenräumen war die Wut nach der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses mit Händen greifbar. Die Stimmung vieler Kolleginnen und Kollegen schwankte zwischen Verärgerung, Resignation, blankem Entsetzen und Empörung. Es ist schlimm genug, dass die Lohnerhöhung nicht ausreichen wird, um die Verteuerung unseres Alltags auszugleichen. Darüber hinaus wurde auch jeder Forderung nach Abmilderung der tagtäglichen Belastungen eine Absage erteilt. Das trifft am härtesten die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, die sogar von dem faulen Kompromiss „Mehr Freizeit oder Jahressonderzahlung“ ausgeschlossen sind. Oder, wie es eine Kollegin ausdrückte, die nicht mal die zynische Wahl zwischen „Zeit mit der Familie oder Geld für Weihnachtsgeschenke“ haben werden.
Gerade mit Blick auf die Arbeitszeit ist dieses Verhandlungsergebnis eine Katastrophe. Es kam noch schlimmer als befürchtet: anstatt in der Frage der Arbeitszeit Verbesserungen zu erreichen, wurde das Tor in Richtung 42-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst weit aufgestoßen. Dabei ist die vereinbarte „Freiwilligkeit“ blanker Hohn. Wer es sich zukünftig sozial, moralisch und materiell leisten kann, weniger zu arbeiten, der kann das tun. Für den Rest heißt es: Friss oder stirb!
Die Wut der Kolleginnen und Kollegen in dieser Situation ist nachvollziehbar und berechtigt. Schuld daran haben die politisch Verantwortlichen in Bund und Kommunen. Jetzt liegt es an uns, auf der betrieblichen Ebene weiterzukämpfen, nicht aufzugeben und um bessere Arbeitsbedingungen zu ringen. Jede einzelne Überstunde und jede Mehrarbeit sollte von uns hinterfragt werden. Weitere Angriffe der Gegenseite auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen sind absehbar. Deshalb gilt, was eine Kollegin am Klinikum Nürnberg formulierte: „Dieser Abschluss ist so mies, dass ich doch tatsächlich Gewerkschaftsmitglied werden muss!“