Mieterstreik gegen hohe Nachzahlungen

„Danke, dass ihr auch kämpft“

Vielen Mieterinnen und Mietern des Covivio-Konzerns in Essen dürfte der Schreck noch in den Knochen sitzen: Das Wohnungsunternehmen verlangt Heizkostennachzahlungen im vierstelligen Bereich. „Diese Summe reißt ein riesiges Loch auf meinem Konto“, so die Mieterin Diana Kummer. Mehr geheizt haben sie und ihre Nachbarn nicht, zahlen sollen sie jetzt trotzdem. Kummers Schlussfolgerung: „Ich will mich wehren!“

Deshalb demonstrierte sie zusammen mit anderen Betroffenen am vergangenen Donnerstag auf dem Frohnhauser Markt in Essen. Dort wurden sie von Siw Mammitzsch, der Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen, begrüßt. Mammitzsch erläuterte die konkreten Hintergründe der hohen Abrechnungen, ging auf das Geschäftsmodell des „Contractings“ ein. Dabei werden Tochterunternehmen des Wohnungskonzerns mit Leistungen beauftragt, deren Kosten dann über die Betriebs- und Nebenkostenabrechnung auf die Mieter abgewälzt werden – häufig zu Mondpreisen.

Schnell wurde deutlich, dass die Covivio-Mieter in Essen nicht allein sind. Hendrik Falkenberg aus Göttingen berichtete von seinen Erfahrungen mit hohen und falschen Nebenkostenabrechnungen bei der LEG. Dabei bestehe das Problem nicht nur in astronomischen Nachzahlungen, sondern auch in den dadurch ständig steigenden Vorauszahlungen.

Der monatliche Preis für das Wohnen läuft den Menschen davon. „So hohe Lohnerhöhungen haben wir alle nicht, dass wir das bezahlen könnten.“ Was also tun? In Göttingen richteten Mieterinnen und Mieter eine Prüfgemeinschaft ein und fordern die LEG seitdem regelmäßig zur Herausgabe von Belegen auf. Bis heute seien diese für die Jahre 2019 und 2020 nicht vollständig erbracht. Das Ergebnis: die Ansprüche des Konzerns verjähren. Dennoch werden weiterhin hohe Forderungen aufgestellt. „Die Leute haben 25 Prozent weniger geheizt, sollen aber 300 Prozent mehr zahlen“, erklärte ein anderer Teilnehmer aus Göttingen und sprach sich für einen überregionalen Schulterschluss der Betroffenen aus: „Danke, dass ihr auch kämpft.“

Eine Demonstrantin aus Bottrop berichtete von Nachzahlungsforderungen von mehr als 4.000 Euro. „Ihr“ Wohnungskonzern: Vonovia. Eine breite Öffentlichkeitsarbeit, solidarisches Miteinander der Nachbarschaft und gemeinsame Gegenwehr würden jedoch wirken. Der Konzern habe bereits auf Forderungen in Höhe von einer Viertelmillion Euro verzichtet. „Wenn ihr nicht zusammen kämpft, habt ihr die Arschkarte gezogen“, lautete die Bilanz.

Mehrere Rednerinnen und Redner schlossen sich der Aufforderung nach einem starken Zusammenhalt an. Das mündete auch in darüber hinausgehende politische Forderungen. „Wohnungen gehören nicht an die Börse, sondern vergesellschaftet“, forderte ein Redner unter dem Applaus der Anwesenden. „Jede Betriebskostenabrechnung von Vonovia oder LEG ist falsch. Deswegen sagen wir: keiner zahlt!“

Siw Mammitzsch wies zum Abschluss darauf hin, dass es bei zweifelhaften Abrechnungen das Recht auf Zurückhaltung gebe, solange keine Belege vorliegen. Allerdings müsse dies unbedingt schriftlich geltend gemacht werden, innerhalb der vorgeschriebenen Fristen. Darüber hinaus sei es wichtig, dass Mieterinnen und Mieter sich organisieren. Der erste Schritt: Kontakt zu den Nachbarn aufnehmen und über gemeinsame Probleme sprechen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"„Danke, dass ihr auch kämpft“", UZ vom 31. Mai 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit