Thomas Maria Claßens Erstlingsroman „Felgenkiller“

Dampfplauderei

Von Hektor Rottweiler

dampfplauderei - Dampfplauderei - Buch, Kultur, Rezension - Kultur

Thomas Maria Claßen

Felgenkiller. Fahrradkrimi

Eigenverlag, Mönchengladbach 2017

ISBN: 978-3-9611123-1-9

309 Seiten, 12 Euro

„Kein Wunder, Britt, die rotieren gerade. Zwei tote Radfahrer hintereinander, und beide Male kein Unfall. Ich werde da wohl hinmüssen. Und ich will da auch hin. Wir müssen helfen, wo wir können, dass diese Verbrechen aufgeklärt und die Täter gefasst werden.“

Der, der so über zwei Morde dampfplaudert, heißt Manfred Hanraths und ist die Hauptfigur in Thomas Maria Claßens erstem Roman „Felgenkiller“, dessen Untertitel „Fahrradkrimi“ lautet. Ein Kriminalroman ist das Buch allerdings nur vordergründig. Denn das Genre dient dem Autor lediglich als Mittel zur Präsentation des Psychogramms eines umtriebigen Kleinbürgers, der kein Rassist und kein Spießer ist.

Seinen Lebensunterhalt sichert die Romanfigur Manfred Hanraths dadurch, dass er als freiberuflicher Sportjournalist tätig ist, der sich aufs „Equipment“ spezialisiert hat. Also verfertigt er beispielsweise Artikel für Fachzeitschriften, in denen er Sportkleidung anpreist, obgleich er weiß, dass sie nicht das leistet, was die Herstellerreklame verspricht. Für diese eigentümliche Tätigkeit bekommt er etliche Euros, sodass er sich allerhand leisten kann. Folglich wohnt er mit seiner Familie im eigenen Haus, fährt mit einem Edelbike durch die Gegend, hantiert mit einer Action-Cam et cetera. Dass er aber kein reicher Mann ist, zeigt sich nach einer Sauftour. Bei seinen Saufkumpanen nämlich muss er Geld eintreiben, damit er die Zeche in einem Sternerestaurant bezahlen kann.

Um Dynamik in sein ödes Leben zu bringen, hat sich der Protagonist Manfred Hanraths einen flotten Jargon angeeignet. Infolgedessen wird zum Beispiel seine Frau Britta umbenannt in „die Britt“ und aus E-Mail-Adressen werden „Mailaddis“. Zudem engagiert „der Manni“ sich in einem alternativen Fahrradfahrerverein, wodurch er in die Taten einer Serienmörderin verwickelt wird. In Grawenhorst, einer fiktiven Großstadt am Niederrhein, werden innerhalb von acht Tagen drei Menschen ermordet, die allesamt zum Tatzeitpunkt mit dem Rad unterwegs gewesen sind. Weil die Kriminalpolizei in alle Richtungen ermittelt, ist Manfred Hanraths zunächst einer der Tatverdächtigen. Dann aber agiert er als eifriger Laienkriminalist, der die Polizei auf die Spur der Täterin bringt, deren Motiv nicht – wie zuerst vermutet – geldgierige Geschäftemacherei, sondern profane Rachsucht ist.

Wenn man also den detailreichen Roman von Thomas Maria Claßen liest, kann man erfahren, wie sie sind, unsere vorurteilsfreien Kleinbürger: An Geld kommen sie zumeist durch unsinnige Tätigkeiten, weil es in der warenproduzierenden Marktwirtschaftsgesellschaft nicht um die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse, sondern um die Vermehrung des investierten Unternehmergeldes geht. Kritisiert wird diese systemische Verkehrung von Subjekt und Objekt jedoch nicht. Stattdessen empören sich die modernen Kleinbürger über allerlei Verstöße gegen die Regeln des herrschenden Marktwirtschaftssystems, womit sie bis an ihr Lebensende vollauf beschäftigt sind.

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"Dampfplauderei", UZ vom 23. März 2018



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