„Fridays gegen Altersarmut“ ist ein weiteres deutliches Signal dafür, dass die Rechten und Neo-Nazis versuchen, mit „Sozialpolitik“ Menschen zu fangen. Die Antworten der sozialreformerischen und linken Kräfte darauf sind wütend bis hilflos, auf jeden Fall aber unzureichend.
Aufmerksamkeit und Verunsicherung sind groß: Über 300.000 „Mitglieder“ soll die Bewegung nach einem halben Jahr schon haben. Dabei wird der Unterschied zwischen facebook-„Freunden“ und „Mitgliedern“ eingeebnet. „Follower“ beziehungsweise „Freunde“ werden zu Gruppenmitgliedern, ganze „Freundesgruppen“ können zur Gruppe „Fridays gegen Altersarmut“ zugeschlagen werden, alles mit einem einfachen Mausklick. Mit „Mitglied“ im Sinne von Bekenntnis zu Zielen, bewusstem Beitreten, verbindlicher Aufnahme oder gar Mitgliedsrechten hat das nichts zu tun.
Am 24. Januar, dem ersten bundesweiten Aktionstag, waren dann in etwa 180 Städten deutlich weniger als 1 Prozent dieser „Mitglieder“ anwesend. Sicher wäre es ein Fehler, die Protestierer gegen die Altersarmut pauschal dem rechten Lager zuzuordnen. Und es gibt ja auch mindestens 3,5 Millionen Gründe – das sind die betroffenen Menschen –, sich gegen Altersarmut zu engagieren.
Es gibt auch genug Gründe, gegen die Rentensenkungspolitik der letzten 30 Jahre zu protestieren. Der Rechtsaußen-„Flügel“ der AfD in Thüringen versucht seit 2018 mit dem Konzept „Die Produktivitätsrente“ zu punkten. Ein Konzept, das viel gefährlicher ist als die neoliberalen Vorstellungen von Meuthen und Weidel.
Auch betriebspolitisch gibt sich die AfD sozial. Sie hat bereits vor ein paar Jahren begonnen, Betriebsorganisationen aufzubauen, die bei den Betriebsratswahlen im vergangenen Jahr besonders in der Automobilindustrie Erfolge erzielen konnte. Bei den Wahlen zu Landtagen, zum Bundestag und zum Europaparlament der vergangenen drei Jahre hatte die AfD bei den Arbeitern und Arbeitslosen überdurchschnittliche Ergebnisse von 10 bis 30 Prozent eingefahren.
Das Umfeld, in dem die Rechten sich als „Kümmerer“ oder „Interessensvertreter“ in Szene setzen können, wurde durch die Sozialabbaupolitik der letzten 20 Jahre regelrecht befeuert. Agenda 2010 mit Hartz IV und die Rentensenkungsprogramme von Riester und Rürup haben zu zunehmender Armut und die Aussicht auf ein katastrophales Millionenschicksal von Altersarmut geführt. Die Angst vor dem Absturz ins soziale Elend geht bis weit in die Mittelschichten.
Rechte und Neo-Nazis mit „Sozialpolitik“ nutzen diese Lage aus. Ihr wachsender Einfluss wirft die Frage auf, was dagegen zu tun ist. Es ist notwendig, den wahren nationalistischen und rassistischen Kern ihrer Politik zu enthüllen. Es gilt aber auch deutlich zu machen, dass sie teilweise unsere Inhalte klauen, um sich als Wölfe im Schafspelz zu tarnen.
Das reicht aber bei weitem nicht aus. Entscheidend wird sein, dass die sozialreformerischen und linken Kräfte in diesem Land entschlossener, überzeugender und lauter Sozialpolitik betreiben. Wir müssen endlich Sozialpolitik machen, die den Namen auch verdient. Wir brauchen deutliche Forderungen und Konzepte und keine Begleitmusik, die den Sozialabbau nur zu dämpfen versucht. Gewerkschaften, Sozialverbände, Parteien mit ihren Gliederungen, Vereine und engagierte Einzelpersonen haben die Aufgabe, gemeinsame Reformziele zu erarbeiten und gemeinsame Kampagnen zu starten. Offensive ist die einzige erfolgversprechende Strategie gegen Rechts.
Unser Autor ist aktiv in der Initiative „Seniorenaufstand“. Die Gewerkschafter im „Seniorenaufstand“ haben auf einer Arbeitstagung im November letzten Jahres dazu einen Vorschlag für gemeinsame rentenpolitische Ziele erarbeitet. Veröffentlicht ist er auf www.seniorenaufstand.de mit dem Titel: „Die nächste Rentenreform muss einen gründlichen Richtungswechsel bringen.“