Der Wunsch der Wirtschaft ist der Regierung Befehl. Führende Kapitalverbände hatten nach den Milliardengeschenken der letzten Jahre „vor dem Hintergrund von im internationalen Vergleich hohen Energiepreisen und zu viel Bürokratie“ ein weiteres Entlastungspaket für die Wirtschaft gefordert. In der vergangenen Woche hat die Regierung geliefert. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete gemeinsam mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg, dass die Bundesregierung eine „Offensive auf den Weg bringen“ wolle, „um Wachstum anzuregen“. Auch durch steuerliche Maßnahmen wolle man dazu beitragen, dass Investitionen jetzt getätigt und nicht aufgeschoben werden, so der Kanzler bei der Vorstellung des „Zehn-Punkte-Plans für den Wirtschaftsstandort Deutschland“.
Das milliardenschwere Paket umfasst steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, den Abbau von Bürokratie, Investitionen in den Klimaschutz, mehr Fachkräfte aus dem Ausland oder schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Viele Vorhaben seien bereits auf den Weg gebracht. Die aktuelle Abkühlung der Konjunktur dürfe nicht dazu führen, dass langfristige Zukunftsinvestitionen von Unternehmen gehemmt werden oder der Wohnungsbau noch weiter zurückgehe, heißt es in dem Papier.
Von zentraler Bedeutung der Regierungspläne ist das sogenannte Wachstumschancengesetz aus dem FDP-geführten Finanzministerium. Dies enthält insgesamt 50 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr ab 2024 und insgesamt über 32 Milliarden in den nächsten Jahren. Zunächst waren lediglich rund sechs Milliarden Euro jährlich eingeplant. Kern ist eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz: Unabhängig vom Gewinn soll eine steuerliche Investitionszulage von 15 Prozent der Investitionssumme gezahlt werden.
Darüber hinaus sollen Unternehmen von einer Ausweitung der Verlustverrechnung profitieren. Künftig sollen nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein. Neu in das Gesetz aufgenommen wurde zudem die befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude. Sie soll für Gebäude gelten, mit deren Bau nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Das Gesetz enthält neben zahlreichen weiteren Entlastungen im Unternehmensbereich eine Investitionsprämie „zur Beförderung der Transformation der Wirtschaft in Richtung von insbesondere mehr Klimaschutz“.
Der Spitze der Unionsfraktion geht das alles nicht weit genug. Sie verabschiedete am vergangenen Freitag selbst ein Bündel von Maßnahmen, mit dem – so die Unionsspitze – „die schwächelnde Wirtschaft angekurbelt sowie Menschen und Unternehmen schnell und spürbar entlastet werden sollen“. In dem Papier mit dem Titel „Anpacken: Wohlstand sichern, Wachstum schaffen“ heißt es, dass die Sozialabgaben bei 40 Prozent gedeckelt werden müssten. Überstunden und Arbeiten im Rentenalter sollten steuerfrei gestellt werden und die Gesamtsteuerbelastung von Unternehmen bei 25 Prozent gedeckelt werden.
Des Weiteren soll der Strompreis unter 20 Cent pro Kilowattstunde – inklusive aller Steuern und Abgaben – gedrückt werden. Die Stromsteuer müsse sofort auf das gesetzliche EU-Minimum von 0,05 Cent pro Kilowattstunde sinken. Die Netzentgelte sollten halbiert werden, so die Union. Darüber hinaus wird von der CDU nicht nur für die energieintensive Industrie, sondern auch für den industriellen Mittelstand ein zeitlicher Brückenstrompreis gefordert.
Dem Überbietungswettbewerb zwischen Koalition und Union in Sachen Milliardengeschenke an die Wirtschaft scheinen keine Grenzen gesetzt und die Vorstellung, die Inanspruchnahme der Mittel zumindest an Bedingungen – wie Arbeitsplatzsicherung, Tarifbindung oder Mitbestimmung in den Betrieben – zu knüpfen, sucht man in beiden Lagern vergeblich. Während so die Umverteilung von unten nach oben munter fortgesetzt wird, beschäftigt sich die „linke Opposition“ wahlweise mit Identitätspolitik oder Selbstzerfleischung.