Was für die einen eine Schreckensmeldung ist, kann für andere eine frohe Botschaft sein. Ein ganz besonders krasses Beispiel hierfür ist die Entscheidung des Aufsichtsrats des Automobilzulieferers Continental, trotz massiver Proteste der Beschäftigten, Werkschließungen und Massenentlassungen durchzusetzen.
Während zahlreiche Beschäftigte aufgrund dieser aktuellen Konzernentscheidungen von Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bedroht sind, jubeln zeitgleich die Börse und die Aktionäre angesichts zu erwartender hoher Kursgewinne. So hat das US-Analysehaus Jefferies laut aktuellen Börsennachrichten die Kaufempfehlung für Continental Aktien mit einem Kursziel von 123 Euro bestätigt. Nach dieser Vorgabe könnten die Aktien, ausgehend vom aktuellen Kursniveau, noch um rund 25 Prozent steigen.
Kein Wunder, dass das Sprachrohr der Börsenspekulanten „Der Aktionär“ in seiner Ausgabe vom 14. Oktober voll des Lobes für die Strategie der Unternehmensführung ist. So plant der weltweit zweitgrößte Autozulieferer, seine Strukturen mit hohem Tempo in Richtung Elektronik, Sensorik, E-Mobilität und Software umzubauen. Der Schwerpunkt des Automotive-Unternehmens soll künftig vor allem auf IT-Systemen und Vernetzung liegen. Zudem ist geplant, die Antriebssparte in ein eigenständiges Unternehmen auszugliedern.
Diese Umstrukturierungsprozesse kosten Geld, das bei den Beschäftigten eingespart werden soll. So sollen zum Beispiel ein Reifenwerk in Aachen bis Ende 2021 und ein Werk für Automobilelektronik in Karben bei Frankfurt bis Ende 2024 geschlossen werden. Insgesamt sind gut zwei Dutzend Conti-Standorte, von Gifhorn in Niedersachsen bis Markdorf am Bodensee und vom Niederrhein bis Berlin, von dem Kahlschlag betroffen. Rund 13.000 Beschäftigte in der BRD müssen um ihre Arbeitsplätze fürchten. Weltweit stehen 30.000 Jobs auf der Kippe.
Der Hoffnung, dass damit das gigantische Spar-, oder besser gesagt, Arbeitsplatzvernichtungsprogramm abgeschlossen ist, hat Conti Chef Degenhard jüngst gegenüber der „FAZ“ eine klare Absage erteilt.
Gemessen an der Zahl der Mitarbeiter müsse Continental in Deutschland stärkere Anpassungen vornehmen als bisher. „Wir haben Deutschland in der Vergangenheit rücksichtsvoller behandelt als den Rest der Welt. Aber das ist nicht mehr durchhaltbar“, so Degenhard. Das Beispiel Continental hat jedenfalls eindrucksvoll den alten neoliberalen Dreisatz „die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen“ widerlegt. Genauso wenig schützt Lohnverzicht und Wohlverhalten gegenüber der Konzernleitung vor Arbeitsplatzverlust. Hiergegen helfen nur gut organisierte und arbeitskampffähige Belegschaften. Denn in den nun anstehenden „Häuserkämpfen“ werden letztlich die Werke den Kahlschlag der Konzernleitung überstehen, deren Belegschaften nicht nur aktions-, sondern auch streikfähig sind.