Am 20. Juni jährt sich zum 90. Mal der Todestag von Clara Zetkin. Der erste Kampf, den diese bedeutende Persönlichkeit der sozialistischen Arbeiterbewegung führte, war der Widerstand gegen das von Bismarck erlassene Sozialistengesetz, der letzte richtete sich gegen die faschistische Diktatur in Deutschland. Ihr Leben spiegelt die Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung während eines halben Jahrhunderts wider. In dieser Zeit stand Clara Zetkin immer an der Seite derer, die gegen Krieg und Imperialismus, für die sozialistische Umgestaltung kämpften. Ihr besonderes Anliegen galt der Befreiung der Frauen. Sie trat entschieden für die Einbeziehung der Frauen in den Klassenkampf ein. Die von ihr redigierte sozialistische Frauenzeitschrift „Gleichheit“, ihre Reden, ihr unmittelbares Wirken und Helfen bei Streikkämpfen sind Zeugnis dafür. Wilhelm Pieck schrieb darüber: „Dieser Kampf Clara Zetkins an der Spitze der sozialistischen Frauenbewegung gehört zu den besten Seiten der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.“
Als 1914 Karl Liebknecht im Deutschen Reichstag gegen die Kriegskredite stimmte und damit der deutschen Arbeiterklasse das Signal zum Kampf gegen die Krieg gab, stimmte sie ihm entschieden zu. Auf Initiative Lenins berief sie den Sozialistischen Frauenkongress gegen den Krieg nach Bern ein. Als sie zurückkehrte, musste sie ins Gefängnis. Trotzdem führte sie den Kampf gegen den Krieg weiter.
Wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Wilhelm Pieck, musste auch Clara Zetkin nach Ausbruch des Krieges und seiner Unterstützung durch die Führung der Sozialdemokratie den Weg überprüfen, den sie bis dahin gegangen war. Es war für sie selbstverständlich, dass sie nach der Novemberrevolution ihr Leben mit dem Kampf der Kommunistischen Partei verband, der einzigen deutschen Partei, die den Kampf gegen den deutschen Imperialismus und Militarismus, für den Frieden und die sozialistische Zukunft konsequent verfocht. Clara Zetkin gehörte zu jenen Führerinnen und Führern der deutschen Arbeiterklasse, die vom ersten Tage an die Große Sozialistische Oktoberrevolution in Russland als weltgeschichtliche Wende erkannten. Sie begann Lenins Werke zu studieren, wurde seine Schülerin und Kampfgefährtin. In der Freundschaft zur Sowjetunion sah sie nicht nur die Grundlage für eine glückliche Zukunft Deutschlands, sondern auch für den Frieden in Europa.
Der KPD stellte sie nach der Niederlage der Novemberrevolution ihre ganze Kraft zur Verfügung. Die Partei sandte sie als Spitzenkandidatin in den Reichstag.
Bereits 1923 machte Clara Zetkin in einer Rede vor Betriebsräten in Rheinland-Westfalen die Gefahren des Faschismus deutlich und forderte auf: „Männer und Frauen aller Berufe, aller politischen und gewerkschaftlichen Richtungen, aller sozialen und religiösen Bekenntnisse, vereinigt euch zum Kampf gegen Faschismus und Kriegsgefahr!“
In den letzten Jahren ihres Lebens war Clara Zetkin schwer krank. Sie lebte und wirkte zu dieser Zeit von der Sowjetunion aus, berichtete in Vorträgen, Artikeln und Broschüren über alles, was sie dort, im ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat, sah.
Als sie 1932 aufgefordert wurde, als Alterspräsidentin den Reichstag zu eröffnen, scheute sie trotz Krankheit die schweren Strapazen der Reise nicht. Sie kam, um eine flammende Rede gegen den Faschismus und seine Hintermänner, die Monopolherren, zu halten. „Das Gebot der Stunde“, sagte sie, „ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen, um damit den Versklavten und Ausgebeuteten die Kraft und Macht ihrer Organisation zu erhalten, ja sogar ihr physisches Leben. Von dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten.“ Sie schloss ihre Rede mit dem Wunsch, nach der Niederschlagung des Faschismus in Deutschland die erste Vertretungskörperschaft der Arbeiter, Bauern und aller Werktätigen als Alterspräsidentin eröffnen zu können. Der Tod vereitelte die Erfüllung dieses Wunsches.
Dieser Beitrag erschien in der UZ vom 22. Juni 1973.