Beim Parteitag wollen wir beraten, wie wir die Verbindungen zu den arbeitenden Menschen verbreitern und vertiefen können. Das Thema China scheint davon weit weg. Der Schein trügt. Chinas „Kampf um den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes und die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse“ haben erhebliche Rückwirkungen vor Ort. Hilfreich ist es, dabei die westlich-eurozentristische Brille abzusetzen.
Domenico Losurdo schätzte 2014 die Entwicklung nicht nur Chinas als Ausdruck eines revolutionären Prozesses ein: des Übergangs vom politisch-militärischen Stadium zum politisch-ökonomischen Stadium des nationalen Befreiungskampfes. „Im Bemühen, eine wirklich nationale Unabhängigkeit zu erreichen, besetzte der Kampf für autonome ökonomische und technologische Entwicklung den Platz der Guerilla und des ‚Volkskriegs‘“, schrieb er in „Wenn die Linke fehlt“.
Der spektakulärste Beweis für die großen Erfolge in dieser „zweiten Etappe der antikolonialen Revolution“ und der damit verbundenen „epochalen Veränderung der Kräfteverhältnisse, die sich derzeit weltweit vollzieht“, sei der Aufstieg Chinas. Dieser treibe „die abenteuerlichsten Kreise des Westens, vor allem seiner Führungsmacht, zu einem gereizten geopolitischen und militärischen Aktivismus“. Die „diversen lokalen Kriege“ und als „Farbenrevolutionen verkleidete Staatsstreiche“ zielten letztendlich darauf, „Russland und besonders China in immer größere Schwierigkeiten zu bringen.“
Geht es beim aggressiven Vorgehen des „Westens“ um das frühzeitige Wegbeißen aufkommender Konkurrenz, also um Zoff in der imperialistischen Pyramide? Oder eher um Systemkonkurrenz?
Interessante Hinweise liefert ein Blick zum Klassengegner.
Das im China-Antrag erwähnte Strategiepapier des BDI von 2019 richtet sich „in allererster Linie an die Politik in Deutschland und der EU“. Ziel des Papiers ist, „die langfristigen systemischen Herausforderungen durch China zu skizzieren und Lösungsansätze vorzustellen“.
Interessant, was für den BDI im „neuen Systemwettbewerb von zentraler Bedeutung“ ist: „Die führende Rolle der Partei im Staat und die Zentralisierung von Entscheidungsstrukturen (…) Das ‚neue China‘ unter Präsident Xi ist gekennzeichnet durch die führende und nicht disponible Rolle der Partei in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. (…) Der zunehmende Kontrollanspruch der Partei über Gesellschaft und Wirtschaft verengt den Handlungsspielraum und schränkt damit die langfristigen Zukunftsaussichten für ausländische Unternehmen in China ein.“
Ferner wurmt den BDI, dass in China der Staat nicht nur als Regulator, sondern auch als zentraler Marktakteur auftritt, der Unternehmens- und Branchenentscheidungen lenkt. „Staatliche Eingriffe ins Marktgeschehen und Steuerung der Wirtschaft nehmen in Chinas neuer Ära eher wieder zu als ab. Der direkte Einfluss des Staates beziehungsweise der Partei in Unternehmensentscheidungen wird durch eine politische Aufwertung von Parteizellen ausgebaut.“
Ebenfalls moniert werden „Beteiligungsobergrenzen oder der Zwang zu Joint Ventures“ sowie der Schutz des starken Marktanteils von Staatsunternehmen. Dies schränke den Wettbewerb in China ein.
Auch über die wachsende Planungskompetenz der chinesischen Regierung ist der BDI wenig erfreut. Die chinesische Führung arbeite intensiv daran, „die Effizienz von Wirtschaftsplanung und gesellschaftlicher Kontrolle durch Künstliche Intelligenz (KI) und Big-Data-Verfahren weiter zu erhöhen“.
Natürlich ersetzen Analysen des Klassengegners nicht unsere eigenen. Andererseits wissen wir, dass die andere Seite sehr ausgeprägt das hat, was in der Arbeiterklasse aus ihrer Sicht tunlichst verhindert werden soll: Klassenbewusstsein.
Deshalb sollten wir die These des BDI von den „langfristigen systematischen Herausforderungen durch China“ ernst nehmen und die „Wahrheit in den Tatsachen“ suchen.