NATO forciert „indo-pazifischen“ Schulterschluss gegen Beijing

China auf dem Radar

„NATO 2030 – die Perspektiven des westlichen Kriegsbündnisses für das kommende Jahrzehnt“ hieß das Thema, über das NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 8. Juni auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Atlantic Council sowie des German Marshall Fund of the United States sprach. Stoltenberg äußerte sich zunächst zu den üblichen Aktivitäten des Bündnisses, zum Aufmarsch gegen Russland und den Operationen in Mittelost, bevor er auf etwas Neues zu sprechen kam. „In einer Welt mit einem härteren globalen Wettbewerb“, wie ihn der Aufstieg Chinas mit sich bringe, solle die NATO „einem globalen Ansatz folgen“. Es gehe nicht um weltweite militärische Präsenz, wiegelte der Generalsekretär ab, aber darum, weltweit „mit gleichgesinnten Ländern enger zusammenzuarbeiten“. Die da wären? Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland, zählte Stoltenberg Verbündete des Westens im regionalen Umfeld Chinas auf. Die Volksrepublik werde bald „die größte Wirtschaft der Welt“ sein. Sie sei „führend“ bei manchen der fortgeschrittensten Technologien: „Wir können damit nicht allein fertig werden, wir müssen das gemeinsam tun.“ Im Bündnis und Seite an Seite mit Staaten rings um China.

Jörg Kronauer - China auf dem Radar - China, NATO - Positionen
Jörg Kronauer

Wirklich neu ist der Gedanke, mit Ländern aus der Asien-Pazifik-Region zu kooperieren, nicht. Bereits die Regierung von George W. Bush hatte darauf gedrungen, die NATO solle enger etwa mit Australien zusammenarbeiten. Das geschah. Australien zählte bald zu den größten nicht dem Bündnis angehörenden Truppenstellern in Afghanistan und es intensivierte auch sonst die Bindung an die NATO. Mitte Juni nahm Australiens Verteidigungsminister erstmals vollumfänglich an einem Treffen seiner NATO-Amtskollegen teil. Das war ein deutliches Zeichen dafür, dass sein Land, obwohl nicht Mitglied, sich in der politischen Praxis dennoch in das Bündnis integriert. „Die NATO blickt jetzt nach Osten“, postulierte Kay Bailey Hutchison, US-NATO-Botschafterin, Mitte Juni; inzwischen sei China „viel stärker auf unserem Radar“.

Manche fordern mehr. Erst kürzlich hieß es in einem Strategiepapier des Washingtoner Atlantic Council, die NATO könne mit Verbündeten wie Australien, Japan oder Südkorea „regelmäßigere und robustere Militärübungen“ durchführen, und zwar auch im „Indo-Pazifik“. Es biete sich an, dort ein „Center of Excellence“ einzurichten – eine NATO-Institution, mit der asiatisch-pazifische Verbündete noch ein wenig mehr in die Bündnisstrukturen integriert werden könnten. Gut wäre es darüber hinaus „ein kleines Hauptquartier im Indo-Pazifik“ zu etablieren, mit dem sich in Zukunft NATO-Manöver und -Operationen in Asien und in der Pazifikregion steuern ließen. Konsens ist das im Bündnis noch nicht, doch der Druck wächst.

Die Trump-Administration hat mit dem Begriff „Indo-Pazifik“ das zuvor gebräuchliche „Asien-Pazifik“ ersetzt. Sie ist – wie schon die Vorgängerregierungen – bemüht, Indien auf ihrer Seite in den Machtkampf gegen China einzubinden. Das Land kooperiert bereits mit den USA, Japan und Australien im Quadrilateral Security Dialogue („Quad“), einem Format, in dem auch gemeinsame Manöver mit der Stoßrichtung gegen China durchgeführt werden. Schon mehrfach ist vorgeschlagen worden, die NATO-Staaten Europas oder doch wenigstens einige von ihnen in den „Quad“-Pakt einzubeziehen. Hinderlich ist aus Sicht von US-Strategen, dass sich Indien bisher noch eigene Handlungsspielräume bewahren will und sich deshalb noch nicht so bedingungslos gegen die Volksrepublik stellt, wie es Washington wünscht. Nicht wenige in den USA setzen nun aber darauf, dass die jüngsten Kämpfe an der Himalaja-Grenze zwischen Indien und China New Delhi noch stärker an die Seite des Westens treiben – zu einem noch engeren „indo-pazifischen“ Schulterschluss gegen Peking.

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"China auf dem Radar", UZ vom 3. Juli 2020



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