Gericht ordnet nach Selbstmordversuch Freilassung von Whistleblowerin aus Beugehaft an

Chelsea Manning endlich frei

Nach fast einem Jahr Beugehaft ist US-Whistleblowerin Chelsea Manning endlich frei. Am 12. Dezember ordnete Richter Anthony Trenga überraschend die sofortige Freilassung der Informantin der Enthüllungsplattform Wikileaks an. Tags zuvor hatte Chelsea Manning versucht, sich im Gefängnis Alexandria im US-Bundesstaat Virginia das Leben zu nehmen. Parallel zur richterlichen Freilassungsanweisung wurde die Grand Jury entlassen, die mit einem Geheimprozess gegen Wikileaks befasst war. Offiziell heißt es, sie habe ihre Arbeit erledigt.

Chelsea Manning war im Mai 2019 in Erzwingungshaft genommen worden, weil sie sich weigerte, vor dem Geschworenengericht über Wikileaks-Gründer Julian Assange auszusagen. Die Whistleblowerin hatte 2010 der Enthüllungsplattform Hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs zukommen lassen und damit die Enthüllung von Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan möglich gemacht. Weltweites Entsetzen hatte das Video „Collateral Murder“ ausgelöst, das ein Massaker an Zivilisten im Irak belegt, begangen von der Besatzung eines US-Kampfhubschraubers.

Chelsea Manning war 2010 wegen der Datenweitergabe in US-Militärhaft genommen und misshandelt worden. 2013 verurteilte sie ein Militärgericht wegen Spionage zu 35 Jahren Gefängnis. Sie kam 2017 frei, nachdem der damalige US-Präsident Barack Obama als eine seiner letzten Amtshandlungen ihre vorzeitige Freilassung angeordnet hatte.

Während ihrer erneuten Inhaftierung seit Mai 2019 musste Manning tägliche Geldstrafen zahlen. Zur Freiheitsberaubung kam die wirtschaftliche Ruinierung. In den ersten beiden Monaten waren 500 US-Dollar pro Tag fällig, danach bis zum Tag ihrer Freilassung 1.000 US-Dollar täglich. In der Summe ist Chelsea Manning mit 256.000 US-Dollar Schulden aus der Beugehaft freigekommen. Richter Trenga weigerte sich explizit, diese Strafzahlungen fallen zu lassen. Die gute Nachricht zum Wochenbeginn: Dank internationaler Solidarität wurden binnen weniger Tage 266.902 US-Dollar Spendengelder für Chelsea Manning gesammelt, so dass sie sich ohne Sorgen vor dem unmittelbaren Schuldendruck auf ihre gesundheitliche Genesung konzentrieren kann.

Der UN-Sonderberichterstatter zum Thema Folter, Nils Melzer, hatte die Haftbedingungen von Chelsea Manning scharf kritisiert. Diese erfüllten „alle konstitutiven Elemente von Folter oder auf andere Weise grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung“. Die Außenexpertin der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag, Sevim Dagdelen, forderte die Bundesregierung auf, der Dissidentin politisches Asyl und damit Schutz vor weiterer US-Verfolgung anzubieten. Nicht diejenigen gehörten ins Gefängnis, die wie die Whistleblowerin Chelsea Manning oder Wikileaks-Gründer Julian Assange Kriegsverbrechen der US-Armee enthüllt haben, sondern diejenigen, die diese Kriegsverbrechen begangen oder verantwortet hätten.

Julian Assange bleibt derweil weiter im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Einzelhaft. Vor Gericht wehrt er sich gegen seine Auslieferung an die USA. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte in ihrer Pressekonferenz am 13. März die britische und US-amerikanische Doppelmoral und die Lügen in dem Fall. Sie sprach von einer „Apotheose der Lügen“ und wies darauf hin, dass der Umgang mit Julian Assange vom Ständigen Rat der OSZE am 7. März geprüft wurde. „Die russische Delegation hat die Frage der anhaltenden politischen Repressalien gegen den Gründer der WikiLeaks-Website proaktiv angesprochen. Russland wies erneut auf die Unzulässigkeit hin, dem Publizisten die Möglichkeit einer angemessenen medizinischen Versorgung, die für ihn lebensnotwendig ist, und die ungehinderte Kommunikation mit den Anwälten vorzuenthalten.“ Mehrere Menschenrechtsorganisationen hätten bereits „Schikanen und Verletzungen der Rechte von Journalisten“ kritisiert, erinnerte Sacharowa. „Ich glaube, dass diese Formulierung weit von der Realität entfernt ist, aus dem einfachen Grund, weil wir bereits über Folter und direktes Mobbing sprechen müssen.“ Und weiter: „Es gibt in der Weltgemeinschaft keinen Zweifel über den politischen Hintergrund der Kampagne zur Verfolgung von Assange. Wir rufen die Menschenrechtsgemeinschaft und die einschlägigen internationalen Organisationen auf, weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Assange Gerechtigkeit widerfährt oder er zumindest nicht von Washington und London getötet wird.“

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"Chelsea Manning endlich frei", UZ vom 20. März 2020



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