Mit zahlreichen Veranstaltungen begeht Venezuela den zehnten Todestag des Präsidenten Hugo Chávez. Der Comandante war am 5. März 2013 einem Krebsleiden erlegen.
Der 1954 geborene Chávez wurde quasi über Nacht bekannt, als er am 4. Februar 1992 eine Militärrebellion gegen die sozialdemokratische Regierung anführte. Der Putschversuch scheiterte zwar, doch Chávez erschien im Fernsehen, übernahm die Verantwortung und rief seine Genossen zum Niederlegen der Waffen auf, weil die gemeinsamen Ziele für den Augenblick – „por ahora“ – nicht mehr zu erreichen seien. Chávez musste ins Gefängnis, doch er wurde für die einfachen Menschen zum Helden. Seine Popularität war so groß, dass im Folgejahr ein bürgerlicher Politiker, Rafael Caldera, mit dem Versprechen einer Amnestie für den Comandante und seine Gefolgsleute die Präsidentschaftswahl gewinnen konnte. 1994 war Chávez wieder auf freiem Fuß.
Bei den Präsidentschaftswahlen 1998 hatte ihn die Kommunistische Partei Venezuelas als erste nominiert. Es folgten neben der von Chávez gegründeten „Bewegung Fünfte Republik“ mehrere sozialdemokratische und populistische Parteien. Am Ende entfielen über 62 Prozent der Stimmen auf Chávez.
Ein Sozialist war der Comandante zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch wer von ihm eine für das Kapital ungefährliche Politik erwartete, musste sich schnell eines Besseren belehren lassen. Die im ersten Jahr seiner Amtszeit ausgearbeitete Verfassung war zwar ebenfalls keine sozialistische, aber sie trug eine soziale und antiimperialistische Handschrift. Dazu gehörte vor allem die Absage an ausländische Militärstützpunkte.
Chávez sah sich vom ersten Tag an mächtigen Gegnern gegenüber. Spätestens ab Ende 2001, als die Regierung erste spürbare Wirtschaftsreformen zugunsten der einfachen Bevölkerung anging, wurde die Konfrontation offen sichtbar. Die privaten Fernsehanstalten überboten sich mit Aufrufen, den „verrückten Affen“ zu stürzen. Am 11. April 2002 putschte das Oberkommando des Militärs und ließ Chávez gefangen nehmen.
Aber die Putschisten hatten nicht mit dem Volk gerechnet. Hunderttausende Menschen erhoben sich und forderten die Rückkehr ihres Präsidenten. Die Fallschirmjäger und weitere Einheiten des Militärs stellten sich gegen die Putschisten. Nur 48 Stunden nach dem Staatsstreich kehrte Chávez in den Präsidentenpalast zurück.
Rückblickend wurde der Putschversuch zu einer entscheidenden Wende im Prozess der „Bolivarischen Revolution“. Venezuela nahm nun offen antiimperialistische und antikapitalistische Positionen ein. Im Januar 2005 sprach Chávez beim Weltsozialforum in Brasilien – noch vorsichtig – von einem „Sozialismus des XXI. Jahrhunderts“.
Der Sozialismus ist in Venezuela bis heute nicht aufgebaut worden. Nach wie vor herrschen kapitalistische Marktprinzipien. Der Staatsapparat wurde nicht grundlegend umgebaut und ist noch immer so korrupt und bürokratisch wie vor Chávez. Das mindert nicht die Bedeutung vieler sozialer Reformprojekte. Chávez selbst hat das anerkannt. Im Programm für die Präsidentschaftswahl 2012 hieß es, dass es in der neuen Amtsperiode darauf ankomme, den Übergang zum Sozialismus voranzutreiben und „unumkehrbar“ zu machen.
Chávez hat dieses Programm nicht mehr umsetzen können. Sein Nachfolger Nicolás Maduro, der im April 2013 nur äußerst knapp zum neuen Präsidenten gewählt wurde, berief sich zwar auf dasselbe Programm, tat aber wenig für dessen Umsetzung. Das lag vor allem an der schweren Wirtschaftskrise, in die Venezuela im Zuge der sinkenden Erdölpreise rutschte. Zudem wurde die Aggression der USA und der rechts regierten Staaten Lateinamerikas gegen Maduro in den folgenden Jahren immer weiter verschärft, gewaltsame Proteste sollten das Land destabilisieren, Sanktionen provozierten eine dramatische Hyperinflation. Chávez hätte in dieser Situation vielleicht die notwendige Autorität gehabt, um mit einschneidenden Maßnahmen die Lage unter Kontrolle zu bringen. Maduro fehlt diese Macht, aber wohl auch der Wille.
Auch wenn die „Bolivarische Revolution“ derzeit ins Stocken geraten ist – der Kampf geht weiter. Chávez vive.