Pjöngjang nutzt das kurze Zeitfenster Olympia

Charme-Offensive

Von Klaus Wagener

Das sah nun nicht nach finsterer stalinistischer Tyrannei aus. Nordkoreas „Army of the Beauties“, eine rund 200-köpfige Cheerleader-Truppe, dürfte es zu einer der meistfotographierten Attraktionen der Olympischen Spiele in Pyeongchang gebracht haben. Die jungen Frauen in ihren dunkelroten, schwarz-abgesetzten Mänteln schafften es locker auf die Titelseiten der Weltpresse. Ebenso Kim Yo-jong, Staatschef Kim Jong-uns jüngere Schwester und Direktorin des Ministeriums für Propaganda und Agitation der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik (KDVR), die bei einem Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jea-in im Blue House, dem südkoreanischen Präsidentenpalast, eine Einladung für Moon nach Nordkorea überbrachte. „Nordkorea gewinnt die Olympics – und nicht wegen des Sports“, titelte indigniert der US-Sender CNN.

Auf dem Eis mag die gemeinsame koreanische Frauen-Eishockeymannschaft vielleicht nicht den Olympiasieg holen, 0:8 gegen die Schweiz spricht eher für den olympischen Geist, „Dabeisein ist alles“. Aber auf dem diplomatischen Parkett hat schon ihre nackte Existenz die neuen alten Kalten Krieger in Washington – und auch in Berlin – in Alarmzustand versetzt. „Wir werden der nordkoreanischen Propaganda nicht erlauben, die Botschaft und die Symbolkraft der Olympischen Spiele zu hijacken“, verkündete US-Vize Mike Pence, „Wir sind hier, um unsere Athleten anzufeuern, aber wir sind auch hier, um unseren Verbündeten beizustehen und die Welt zu erinnern, dass Nordkorea das tyrannischste und unterdrückerischste Regime des Planeten ist.“

„Wir werden jede Attacke zurückschlagen und jedem Einsatz konventioneller oder nuklearer Waffen mit einer Antwort begegnen, die schnell, überwältigend und effektiv ist“, verkündete Pence. Und er kündigte ebenso weitere Sanktionsmaßnahmen gegen die KDVR an. Worin genau diese bestehen sollen sagte er allerdings nicht. Seit 2006 haben die USA eine ganze Serie von Sanktionsbeschlüssen durch den UN-Sicherheitsrat gebracht. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der KDVR tendieren seit 2016 hart gegen Null. Faktisch geht es bei neuen Sanktionen daher vor allem darum, den Handel zwischen der VR China bzw. Russland und der KDVR zum Erliegen zu bringen. Beide Staaten haben zwar immer versichert, sich an das Sanktionsregime halten zu wollen. Die US-Regierung hat aber genau das immer in Zweifel gezogen.

Wesentlich gefährlicher ist allerdings die militärische Seite des Konfliktes. Seit einiger Zeit wird unter dem Stichwort „Bloody Nose“ in den strategischen Zirkeln des Washingtoner Machtapparates über einen begrenzten Militärschlag gegen die KDVR diskutiert. Hintergrund ist die ungerührte Entwicklung atomarer Fähigkeiten plus der entsprechenden Trägertechnologien durch die KDVR einerseits und der im Verhältnis zu ihrem gewaltigen Aufmarsch ziemlich wirkungslosen US-Drohkulisse andererseits. Präsident Trumps Strategie des „maximalen Drucks“ zeigt keine nennenswerten Ergebnisse. Immerhin hatte er der KDVR vor der UN-Vollversammlung mit „totaler Vernichtung“ gedroht. „Bloody Nose“ setzt voraus, Pjöngjang einerseits für nicht rational zu erklären, so dass ein Militärschlag notwendig ist, andererseits aber für so rational zu erklären, dass es sich nicht wehren wird. Das klingt für ein Land, das einen großen Teil seiner Wirtschaftskraft für die Entwicklung der Bombe geopfert hat, nicht gerade plausibel.

Kim Jong-un hatte in seiner Silvesteransprache seine Bereitschaft für einen innerkoreanischen Dialog angedeutet. Der Süden hatte, in Sorge um die Spiele, umgehend reagiert und es waren sehr schnell weitreichende Übereinkünfte erzielt worden. Die Olympia-Charmeoffensive des Nordens macht es den Washingtoner Kriegsfalken nicht gerade einfach, für einen blutigen und dazu hochriskanten Militärschlag mobil zu machen.

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"Charme-Offensive", UZ vom 16. Februar 2018



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