Jetzt kriegt Merkel einen auf den Deckel.“ Meine Frau und ich werfen im Vorbeispazieren ein: „Aber doch nicht von der AfD.“ – „Doch, genau von denen!“ Die drei Männer im Essener Nordpark freuen sich darauf, dass bei der Wahl Rechte mit Anti-Merkel-Sprüchen ins Parlament einziehen werden. „Die AfD kriecht den Kapitalisten in den Arsch, und die sollen was gegen Merkel unternehmen?“, frage ich. „Na ja, gegen Kapitalisten habe ich auch etwas“, wirft mir der AfD-Wähler hin.
Er merkt trotzdem nicht, dass rechter Pseudoprotest seinem eigenen Interesse als Teil der Arbeiterklasse widerspricht. Wie so viele: Er ist irgendwie unzufrieden, sein unklares Bedürfnis nach Protest lässt sich von rassistischen Hetzern gegen Flüchtlinge lenken. Das Bewusstsein der Masse der Arbeiterklasse ist voller Widersprüche, die verschiedenen bürgerlichen Kräfte nutzen diese Widersprüche. Die herrschende Klasse hat die Arbeiterklasse gerne als Stimmvieh im Kampf darum, welche bürgerliche Partei ein paar Abgeordnetenbüros mehr bekommt. Chaos im Kopf, Rechtsruck im Bundestag.
So langweilig der Wahlkampf war, so gemütlich-weltoffen sich die Kanzlerin präsentiert, so empört alle über das AfD-Ergebnis tun: Das Wahlergebnis steht für einen Rechtsruck. Natürlich deshalb, weil 94 Mandate an mehr oder weniger aggressive, rassistische, reaktionäre AfD-Hetzer gingen. Aber nicht nur deshalb: Gauland und Weidel spielen nur die Antreiber, die verbergen sollen, wie weit die Parteien der „Mitte“ selbst nach rechts rücken. Merkel strickt weiter die Legende, dass sie so gut zu den Flüchtlingen sei. Aber Merkel und die große Koalition haben die Asylgesetze verschärft, Flüchtlinge abgeschoben und Deals zur Abschottung geschlossen. Sie, die über die AfD klagen, haben kein Problem damit, dass deutsche Gerichte irrsinnige Haftstrafen gegen Linke verhängen. Egal, wie prekär wir arbeiten, wie viele von uns unfreiwillig in Teilzeit stecken oder auf Hartz IV aufstocken müssen – Merkel phantasiert von Vollbeschäftigung und davon, wie gut es uns geht. Das Besondere an der Kanzlerin ist, dass sie es schafft, ihre reaktionäre Politik als sozial und tolerant darzustellen. Das Chaos im Bewusstsein der Arbeiterklasse ist die Wand, auf die Merkel sich so projizieren kann, wie sie sich zeigen will.
Natürlich begrüßt die DKP, dass mit der Linkspartei auch Abgeordnete in den Bundestag kommen, die konsequent gegen Krieg, Verarmung und Spardiktat kämpfen. Aber in ihrer Ausrichtung ist die Linkspartei selbst voller Widersprüche: Sie will den Kapitalismus ein bisschen abschaffen, aber auch ein bisschen sozialer machen. Sie will die Politik der Bundesregierung bekämpfen, aber gleichzeitig in Thüringen eine ganz ähnliche Politik mitgestalten. Sie will Menschen auf die Straße bringen, aber gleichzeitig parlamentarische Lösungen versprechen.
Wenn wir den Rechtsruck aufhalten wollen, müssen wir der Arbeiterklasse umfassende Erklärungen und Perspektiven anbieten, mit denen die Menschen ihre begründete Wut und ihre alltägliche Unzufriedenheit von bürgerlichen Vorurteilen befreien können: Die Erkenntnis, dass der Kapitalismus eine Ausbeuterordnung ist, dass die Bundesregierung die Vertretung der Banken und Konzerne ist, dass es nur dann eine dauerhaft lebenswerte Zukunft geben kann, wenn die arbeitenden Menschen die Wirtschaft und den Staat in die eigenen Hände nehmen. Gegen bürgerliches Schönreden, rechte Hetze und wütende Orientierungslosigkeit hilft nur eins: Die kommunistische Partei in diesem Land aufzubauen. Denn nur mit einer starken kommunistischen Partei kann die Arbeiterklasse etwas anderes als Stimmvieh für Parteien werden, die fremde Interessen vertreten. Der Wahlkampf der DKP war ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf diesem langen Weg.