Pilotabschluss in der Tarifrunde Metall und Elektro 2024 bleibt hinter den Preissteigerungen zurück. Kleine Lichtblicke beim tariflichen Zusatzgeld

Chance zum Gegenangriff nicht genutzt

Seit Ende Oktober haben sich mehr als 620.000 Kolleginnen und Kollegen aus über 2.000 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie an Warnstreiks beteiligt. Sie forderten einen Tarifvertrag mit einjähriger Laufzeit, 7 Prozent mehr Lohn, 170 Euro mehr im Monat für Auszubildende und mehr freie Tage. Noch am Montag waren weit über 100.000 Metaller vor den Werkstoren und auf den Straßen, um zur entscheidenden vierten Verhandlung den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Hat dieser Druck gereicht, um Reallohnsenkungen zu vermeiden?

Der Pilotabschluss, am Dienstag von den zwei Tarifbezirken Bayern und Küste in Hamburg ausgehandelt wurde, ist bescheiden und wird viele enttäuschen. Nach einer Einmalzahlung von 600 Euro bis zum 1. Februar 2025 steigen die Monatsentgelte ab April 2025 um 2 Prozent, sowie um weitere 3,1 Prozent ab dem 1. April 2026 – bei einer Laufzeit von 25 Monaten, bis zum 31. Oktober 2026. Verglichen mit dem Angebot aus der zweiten Verhandlungsrunde ist das keine große Verbesserung. Statt neun Nullmonaten gibt es jetzt sechs. Das Angebot von insgesamt 3,6 Prozent bei 27-monatiger Laufzeit wurde auf 5,1 Prozent bei 25 Monaten erhöht. Das erste Angebot hätte inklusive der Nullmonate im Schnitt 1,2 Prozent mehr Lohn pro Jahr bedeutet. Der Abschluss jetzt bringt, über 25 Monate betrachtet, 1,8 Prozent jährlich. Das ist kein Ausgleich für die Inflation, weshalb es zu weiteren Reallohnverlusten kommen wird. Damit setzt sich der Trend fort: Schon seit dem Jahr 2018 blieben die tabellenwirksamen Entgelterhöhungen um mehr als 10 Prozent hinter der Inflation zurück. Die Beschäftigten werden die vereinbarte Einmalzahlung von 600 Euro gut brauchen können. Sie ist aber nicht nachhaltig und verpufft ohne Wirkung auf Tabelle, Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Die Sonderzahlung des tariflichen Zusatzgeldes (T-Zug B) wird im Jahr 2026 von 18,5 auf 26,5 Prozent des Eckentgelts steigen und gilt als „soziale Komponente“ für die Beschäftigten der unteren Entgeltgruppen.

Auch für die 230.000 Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie sind die erzielten 140 Euro mehr kein Grund zur Freude. Über die Laufzeit gesehen erhöht sich das Monatsentgelt um weniger als 70 Euro pro Jahr. Die Forderung von 170 Euro für 12 Monate ist damit mehr als halbiert worden. Bezogen auf die durchschnittliche Ausbildungsvergütung in der Metall- und Elektroindustrie von 1.204 Euro steigt das Entgelt um circa 5,5 Prozent pro Jahr. Der Anstieg liegt damit oberhalb der 1,8 Prozent für die restlichen Beschäftigten. Außerdem kommt den Azubis ab April 2026 auch die vereinbarte Lohnsteigerung von 3,1 Prozent zugute. Aber ein eigenständiges Leben zu führen ist auch mit durchschnittlich 1.344 Euro (circa 1.386 Euro ab April 2026) eine Herausforderung, insbesondere angesichts der hohen Miet- und Lebensmittelkosten. Viele Auszubildende werden weiterhin auf einen Nebenjob angewiesen sein, um über die Runden zu kommen.

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(Grafik: IG Metall)

Einzig die Vereinbarungen zum tariflichen Zusatzgeld (T-Zug) sind kleine Lichtblicke. Nach dem Abschluss können auch Teilzeitbeschäftigte, die als Erziehende, Pflegende oder Schichtarbeitende besonders belastet sind, die Wahloption von acht beziehungsweise sechs zusätzlichen freien Tagen in Anspruch nehmen. Dies war längst überfällig, sind es doch meist die Teilzeitbeschäftigten, die Kinder und Pflegebedürftige versorgen und dringend Entlastung benötigen. Außerdem steigt das Höchstalter der Kinder, für die diese Wahloption in Anspruch genommen werden kann, von 8 auf 12 Jahre. Allerdings wird bei Inanspruchnahme auf die Sonderzahlung verzichtet. Die freien Tage werden also fast vollständig selbst bezahlt. Das Unternehmen leistet nur einen kleinen Zuschuss.

Ebenfalls überfällig war die erhöhte Zahl von Freistellungen, die künftig genutzt werden kann. Aber auch hier wäre mehr sinnvoll.

Leider sind auch mit diesem Abschluss bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wieder Abweichungen beim Transformationsgeld möglich. Das bedeutet betriebliche Differenzierungen und damit ein Aufweichen des Flächentarifs. Etliche Kolleginnen und Kollegen werden nicht in den Genuss der wenigen Verbesserungen bekommen.

Alles in allem bietet der Abschluss mehr Schatten als Licht. Sicher ist die wirtschaftliche Lage in vielen Betrieben nicht einfach. Fakt ist, dass Warnstreiks nicht ausreichen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Gezielte Tagesstreiks in Betrieben mit guter Auftragslage, die es ja nach wie vor gibt, könnten mehr Druck erzeugen. Außerdem steigt das Bewusstsein über die eigene Stärke als Arbeiterklasse in Tagesstreiks deutlich. Dieses Bewusstwerden wäre eine gute Voraussetzung gewesen für die anstehenden Kämpfe gegen Entlassungen und Werksschließungen. Die Chance, die Tarifrunde zu nutzen, um einen gemeinsamen erfolgreichen Kampf gegen die Angriffe des Metallkapitals zu beginnen, wurde vertan.

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"Chance zum Gegenangriff nicht genutzt", UZ vom 15. November 2024



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