Mit einem überraschend guten Ergebnis von 90 Prozent ist der sächsische CDU-Politiker Michael Kretschmer am vergangenen Wochenende zum neuen CDU-Landesvorsitzenden im Freistaat gewählt worden. Er folgt damit Stanislaw Tillich, dessen Amt als Ministerpräsident er am Mittwoch, nach Redaktionsschluss dieser Zeitung, ebenfalls übernehmen soll. Tillich hatte bereits im Oktober angekündigt, die Verantwortung für das schlechte Ergebnis der CDU bei den vergangenen Bundestagswahlen übernehmen und seine Ämter zur Verfügung stellen zu wollen. Bei den Wahlen war die völkisch-nationalistische AfD mit satten 27 Prozent der Wählerstimmen (plus 20,3 Prozentpunkte) erstmals stärkste Kraft im Freistaat geworden. Die CDU, die 15,8 Prozentpunkte verlor, landete mit nur noch 26,9 Prozent auf Platz zwei. Die CDU, die seit der letzten Landtagswahl mit einer schwachen SPD die Staatsregierung stellt, verliert zunehmend an Machtoptionen. So könnten die Christdemokraten bei den für 2019 anstehenden Landtagswahlen in die Situation kommen, dass sie nur in Koalition mit der AfD oder – weniger vorstellbar – mit der Linkspartei noch eine mehrheitsfähige Regierung bilden können.
Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, warf Tillich vor, „vor schwierigen Problemen regelmäßig die Flucht ergriffen“ zu haben. „Herr Kretschmer ist als CDU-Generalsekretär Wasserträger des Systems Tillich und steht für den Kampf um den puren Machterhalt der CDU“, monierte Gebhardt. Kretschmer habe bisher „keinen einzigen konkreten Satz dazu gesagt, wie er sich denn eine andere Politik für Sachsen vorstellt“, sagte der Linkspartei-Politiker.
Schwerwiegender dürfte hingegen die Kritik des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) wiegen, der Tillich vor der Ankündigung von dessen Rückzug offen attackiert hatte. Plänen der sächsischen CDU, einen Rechtsruck anzustreben, erteilte der Altministerpräsident eine Absage. Mit Blick auf die bereits im Landtag vertretenen AfD-Politiker fragte er im Interview mit der „Zeit“, wie man „rechts von denen ankommen“ wolle? Dafür sei es jetzt zu spät, sagte Biedenkopf, was heißen mag, früher hätte die CDU das gekonnt.
Tatsächlich steht mit Michael Kretschmer jedoch genau dieser Wettstreit zwischen CDU und AfD ins Haus. „Die CDU ist eine Partei, neben der es rechts nichts Demokratisches geben darf. Wir müssen alle integrieren. Das gefällt vielen Journalisten nicht und der linken Opposition erst recht nicht. Egal“, skizzierte Kretschmer schon 2015 seine politische Marschrichtung.
„Sachsen hat in der Außenwahrnehmung selbst Bayern mittlerweile den Platz eins als reaktionärstes Bundesland streitig gemacht. Wir haben ein enormes Problem mit Rassismus und einer starken rechten Szene. Die CDU hat die auf der Hand liegenden Probleme stets verharmlost, teils sogar bestritten. Anstatt den Kampf mit Nazis und Rassisten aufzunehmen und die Sicherheit von Flüchtlingen und Antifaschisten zu gewährleisten, ist die sächsische CDU selbst immer mehr nach rechts gerückt“, kritisierte Susanne Schaper, Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke und deren Sozialpolitikerin.