Über marode Infrastruktur der Bahn, Finanzierungschaos und Militärträume

Bundeswehr und Bundesbahn

Mit der zum Jahresbeginn 2024 gegründeten Infrastrukturgesellschaft DB InfraGO AG als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG (DB AG) wurde ein zentrales Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien umgesetzt. Mit angekündigten Investitionen von 45 Milliarden Euro bis 2030 sollte die Sanierung der Schieneninfrastruktur im großen Stil stattfinden. Die Steigerung des Verkehrs auf der Schiene als ein Mittel zur Erreichung der Klimaziele sahen einige Kommentatoren schon in greifbarer Nähe. Ein halbes Jahr später ist die Illusion der Realität gewichen.

Während auf der einen Seite die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Schieneninfrastruktur auch im Alltag immer deutlicher zutage tritt, werden die zugesagten Milliarden immer ­schmaler. Dabei waren die angekündigten 45 Milliarden schon nur die Hälfte des von Bahnexperten errechneten Bedarfs. Nach dem derzeitigen Stand sind noch etwa 25 Milliarden in der Pipeline. Die Unterfinanzierung geht also weiter. Die Auswirkungen der Zusagen waren aber gravierend, denn der Milliardenverlust der DB AG im letzten Jahr hatte seine Ursachen in den von der Bundesregierung versprochenen Geldern. Statt auf den Geldfluss zu warten, wurde das Signal für Investitionen auf Grün gestellt. Es wurde Geld ausgegeben, das bis heute nicht geflossen ist.

Auch die Bilanz der DB AG im ersten Halbjahr 2024 prognostiziert weitere Verluste, was den Konzernvorstand der DB AG zu drastischen Maßnahmen veranlasst. Ein Einstellungs- und Ausgabestopp ist die Folge, der jetzt von einem Personalabbauprogramm begleitet wird. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Schienengüterverkehrssparte in eine immer größere Schieflage gerät. Paradox wird es, wenn man die Diskussion um das Deutschlandticket mit einbezieht. Bund und Länder streiten sich weiter um die Finanzierung. Trotz seines hohen Preises von 49 Euro erfreut sich das Ticket eines großen Zuspruchs. Die steigenden Fahrgastzahlen treffen allerdings auf die Probleme der maroden Infrastruktur sowie technischer Probleme des Fuhrparks. Die Entwicklung zeigt aber deutlich, dass bei entsprechend günstigeren Preisen die Bereitschaft vorhanden ist, auf das Auto zu verzichten.

Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt meinte in den 1970er Jahren: „Bundeswehr oder Bundesbahn – beides können wir uns nicht leisten.“ In diesem Satz konzentrieren sich derzeit Wahrheit und Dilemma der Bundesregierung. Das größte Hochrüstungsprogramm in der Geschichte der BRD frisst jeden Spielraum auf. Es wird immer deutlicher, dass Rotstiftpolitik bei Sozial- oder Klimaschutzmaßnahmen und Kriegs- und Rüstungsfinanzierung zwei Seiten einer Medaille sind.

Es lohnt sich genauer hinzusehen, welche Sanierungen jetzt noch stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP), ein Thinktank der Politik, sorgte sich vor einigen Tagen um den Zustand der „Militärischen Mobilität“. Kritisiert wurden vor allem die zahlreichen Streckenstilllegungen – Strecken, die für die Transporte von Militär nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Bau von Eisenbahnen und militärstrategische Großmachtträume spielten schon immer eine große Rolle und waren letztlich auch ein Grund, weshalb die Deutschen Bahnen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verstaatlicht wurden. Die militärische Bedeutung lässt sich historisch bis zu den Plänen der Europäischen Union zur Verbesserung der militärischen Transportwege schon Jahre vor der Eskalation in der Ukraine nachvollziehen. Kriegsvorbereitung vollzieht sich auf vielen Wegen.

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"Bundeswehr und Bundesbahn", UZ vom 12. Juli 2024



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