Über historische Vorläufer

Bumerang Völkerrecht

Ach, das Völkerrecht. Seit Deutschland eine Außenministerin hat, die nach ein paar nicht abgeschlossenen Semestern das Völkerrecht zu ihren Kernkompetenzen zählt, musste mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Es kam noch schlimmer.

Wer Freunde im ehemaligen Jugoslawien hat, weiß diesen nicht zu erklären, warum in Deutschland von Fakten unabhängige Medien nacheinander Außenministerin, Kanzler und Präsident zitieren können, der russische Angriff auf militärische Strukturen in der Ukraine sei der erste Krieg in Europa nach 1945 gewesen, diese Medien aber nicht – wie zum Beispiel „RT Deutsch“ – wegen Propagandaverbreitung verboten werden. Ebenso wenig wie dem aktuellen Angriff der Russischen Föderation lag der 78-tägigen Jugoslawien-Bombardierung durch NATO und Bundeswehr 1999 mit etwa 3.500 Todesopfern eine UN-Sicherheitsratsresolution zugrunde, die für einen legalen Angriffskrieg zwingend wäre. Begründet wurde der Angriff auf Jugoslawien mit einem Hufeisen, das – im Nachhinein betrachtet – mehr nach einem Bumerang aussieht. Die Krimabtrennung aus ukrainischer Hoheit und deren Eingliederung in die Russische Föderation als Folge des Maidan-Putschs konservativer und faschistischer Kräfte 2014 wurde hierzulande laut beklagt. Sie unterschied sich aber von der gewaltsamen Trennung des Kosovo aus Jugoslawien nur dadurch, dass 1999 tausende Tote die Folge waren.

Auch die Anerkennung der Donbass-Oblaste Lugansk und Donezk durch Russland hat 1992 ihr historischen Vorläufer mit der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch Deutschlands Regierung – was damals in Sachen Minderheitenrechte und Schutz vor Verfolgung angeführt wurde, gilt heute weder regierungsamtlich noch medial für den Donbass. Denn reichte bei Kroatien schon die Befürchtung von Menschenrechtsverletzungen durch die Zentralregierung, so waren acht Jahre Beschuss und Bombardierung der Menschen im Donbass durch ukrainische Verbände weder Grund für Sondersendungen noch für neuartige Friedensdemos mit Forderungen nach Waffenlieferungen an die Bedrohten.Wenn nun der Internationale Strafgerichtshof auf Wunsch der Völkerrechtsexpertin russische Verbrechen untersuchen soll, so wird ihr ein Kurzsemester Wiki-Studium zeigen, dass Russland den IStGH nicht anerkennt. Bevor sie das aber empört der Weltöffentlichkeit erklärt, sollte ihr ein Ministeriumsmitarbeiter noch stecken, dass dasselbe für die USA und Israel gilt. Blöder Bumerang.

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"Bumerang Völkerrecht", UZ vom 11. März 2022



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