Blauer Himmel, Temperaturen jenseits der 30 Grad. Geruch nach Sonnencreme, Frittenfett und Chlor. Dazu Testosteronbomben mit Flaum im Gesicht und ein Eis. Das war schon immer die Erfahrung in überfüllten Freibädern in den Sommerferien. Dass es bei dieser Mischung zu Konflikten kommt ist nichts Neues. In den letzten Jahren trifft dies allerdings auf eine Gesellschaft, in der Klassenwidersprüche immer zugespitzter zu Tage treten und die Herrschenden immer weniger willens und in der Lage sind, die Widersprüche zu verdecken.
Medial gepuscht wird der Konflikt gerade im Berliner Sommerbad Neukölln, besser bekannt als Columbiabad. Sprungturm und Babybecken sind aus „betrieblichen Gründen leider derzeit geschlossen“. Mitte Juli war das Bad für eine Woche geschlossen wegen hohen Krankenstands. In diesem Zusammenhang tauchte ein Brief der Mitarbeiter aus dem Juni auf. Diese prangerten darin laut Berliner „Tagesspiegel“ die „eklatante Unterbesetzung“ an. Zudem sei das Verhalten der Badegäste extrem belastend. Dies reiche von Bedrohungen und Gewalt über Sachbeschädigungen bis zum Liegenlassen von Windeln. Im Juli traten die Mitarbeiter nach erneuten Vorfällen in den Streik per Krankenschein.
Lösung aktuell: Wer ein Berliner Freibad besuchen möchte, muss sich ausweisen und einer Taschenkontrolle unterziehen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprang helfend zur Seite und schlug „Polizeipräsenz“ vor. Ob sie Geld locker machen möchte für Dienstbadehosen sagte sie nicht. Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann legte nach und forderte, „wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. Auch am Wochenende.“ Mal abgesehen von den dumpfen Law-and-Order-Sprüchen für die überhitzte Mediendebatte müssen sich beide fragen lassen, wie das gehen soll. Schon jetzt sind Polizei und Gerichte derart überlastet, dass sie ihrer Arbeit kaum nachkommen können.
Vor vier Jahren schrieb Vincent Cziesla in dieser Zeitung über die angeblichen „Rheinbad-Krawalle“ in Düsseldorf. Ein kleiner Streit an der Wasserrutsche führte zur Räumung des Bads durch die Polizei. Jugendliche mit Migrationshintergrund hätten versucht, die Kontrolle im Bad zu übernehmen, spekulierten die Qualitätsmedien. Das erwies sich als Ente. Dennoch blieben die Forderungen nach ausländerrechtlichen Konsequenzen im Raum. Cziesla: „Wer die Baderegeln bricht, soll abgeschoben werden – und dazu braucht es nicht einmal die AfD.“ Auch heute braucht es diese Partei nicht, um rassistische Vorurteile zu verbreiten, an demokratischen Rechten zu sägen und die soziale Daseinsvorsorge kaputtzusparen.
Personalmangel und mangelnde Investitionen werden in der Gewaltdebatte ertränkt. Rechtsstaatliche Prinzipien gleich mit. Die Mitarbeitenden bleiben allein im Regen stehen. Sie sind mit den Folgen einer zunehmend aggressiven Gesellschaft konfrontiert.
Unter der strukturellen klassenmäßigen Gewalt leiden die Menschen in Neukölln besonders: das Sanktionsregime des Bürgergelds, die Ausgrenzung von großen Bevölkerungsteilen aufgrund der Hautfarbe, Wohnungsmangel, Verdrängung und Perspektivlosigkeit. Dieser Staat tritt den Menschen feindlich gegenüber. Deshalb explodieren die Testosteronbomben leicht, wenn sie der Bademeister, Lehrer oder Polizist als Repräsentant dieses feindlichen Staates anspricht. Bullen in Badehosen werden die Situation nicht entschärfen. Diese Politik wird, wie in Frankreich, weitere Polizeimorde hervorbringen und legitimieren, wie auch die entsprechenden Eruptionen darauf.
Bullen in Badehosen?
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